A2: Klassismus entgegenwirken – Teilhabe aller jungen Menschen stärken!
Veranstaltung: | DBJR-Hauptausschuss 01/2024 |
---|---|
Status: | Eingereicht |
Antragshistorie: | Version 1(24.10.2023) |
Veranstaltung: | DBJR-Hauptausschuss 01/2024 |
---|---|
Status: | Eingereicht |
Antragshistorie: | Version 1(24.10.2023) Version 2 |
Wir Jugendverbände und Jugendringe setzen uns für die Teilhabe von Kindern und
Jugendlichen ein. Alle jungen Menschen sollen die gleichen Chancen haben, ein
selbstbestimmtes Leben zu führen, die eigenen Talente und Begabungen zu
entfalten, am sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben teilzuhaben und
unsere Gesellschaft mitzugestalten. Teilhabe ist ein elementares Recht junger
Menschen!
Die Lebensrealität vieler Kinder und Jugendlicher sieht aber anders aus: Durch
einen massiven Anstieg der Kinder- und Jugendarmut in Deutschland und eine
zunehmend ungleiche Verteilung von Vermögen und Einkommen werden die
Teilhabechancen vieler junger Menschen erheblich eingeschränkt. Etwa ein Fünftel
der Kinder und Jugendlichen ist heute von Armut bedroht.[1] Wer in Armut lebt,
hat nicht einfach nur wenig(er) Geld zur Verfügung, sondern wird im Bildungs-
und im Gesundheitssystem benachteiligt, hat schlechtere Chancen bei der Arbeits-
und Wohnungssuche, wird herabgewürdigt oder im öffentlichen Leben unsichtbar
gemacht, und hat oft weniger Ressourcen zur Mitbestimmung. Diese Form der
strukturellen Herabwürdigung, die nicht auf individuelles Verschulden
zurückzuführen ist, heißt Klassismus.
Klassismus bedeutet, aufgrund der (zugeschriebenen) sozialen Herkunft bzw. des
sozialen Status diskriminiert und unterdrückt zu werden. Er äußert sich in
materieller Benachteiligung ebenso wie in kultureller und sozialer Ausgrenzung.
Klassistisch ist: Menschen mit „Unterschichtennamen“ oder Dialekt sprechende
Menschen herabzuwürdigen; Bezieher*innen von Bürgergeld mangelnden Arbeitswillen
zu unterstellen; Eltern mit niedrigem sozialen Status Erziehungs- und
Sorgekompetenzen abzusprechen; die Leistungen von armen Kindern und Jugendlichen
schlechter zu bewerten und ihnen nichts zuzutrauen; die Lebensrealitäten und
Interessen von Menschen zu ignorieren, die sich nicht akademisch ausdrücken
können.
Die Grundlage des Klassismus – der Widerspruch von Kapital und Arbeit – und
damit einhergehend Armut und armutsbegünstigende Strukturen, ein dauerhaft
großer Niedriglohnsektor, die Ausweitung prekärer Beschäftigungsverhältnisse,
der Mangel an bezahlbarem Wohnraum und an Betreuungsangeboten für Kinder, oder
kaum bedarfsgerechte Sozialleistungen für Kinder und Familien festigen die
Ausgrenzung und Benachteiligung aufgrund des sozialen Status.
Wir finden: Klassismus und seine Ursachen müssen benannt werden! Insbesondere
deshalb, weil klassistische Diskriminierung junge Menschen besonders hart trifft
und lebenslange Auswirkungen haben kann. Im Gegensatz zu anderen Formen der
Diskriminierung ist Klassismus als Begriff außerhalb theoretischer Debatten noch
nicht sehr verbreitet. Weder ist Klassismus als Diskriminierungsform im
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) anerkannt noch gibt es eine
systematische Antiklassismus-Arbeit z.B. in Schulen und Behörden. Die mangelnde
öffentliche Auseinandersetzung mit Klassismus führt dazu, dass viele Betroffene
die eigene Lebenslage nicht auf ungerechte Strukturen zurückführen, sondern für
selbstverschuldet halten. Der gemeinsame Kampf gegen Armut und ihre
strukturellen Ursachen wird so erschwert.
Klassismus zu benennen ist ein notwendiger erster Schritt, um ein Bewusstsein
für klassenbezogene Diskriminierung zu schaffen und benachteiligende Strukturen
abzubauen. Klassismuskritik bedeutet jedoch nicht, Armut in Konkurrenz zu
anderen Diskriminierungsformen zu setzen. Gerade weil Klassismus in der Regel
nicht allein auftritt, sondern sich häufig mit Rassismus, Sexismus oder
Ableismus verschränkt, darf er nicht isoliert betrachtet werden.
Klassismuskritik kann nur als Bestandteil einer breit angelegten
Antidiskriminierungsarbeit Erfolg haben.
Als Jugendverbände und Jugendringe engagieren wir uns für eine solidarische und
diskriminierungsfreie Gesellschaft. Wir unterstützen die Selbstorganisation
junger Menschen und tragen mit unseren Angeboten zum Empowerment benachteiligter
Kinder und Jugendlicher bei. Wir ermöglichen Kindern und Jugendlichen das
Knüpfen neuer Netzwerke und unterstützen damit den Abbau sozialer und
kultureller Ungleichheiten. Gleichwohl müssen auch wir selbst
klassismussensibler werden und dafür Sorge tragen, dass arme Kinder und
Jugendliche dieselben Chancen haben, sich bei uns zu engagieren und ihre Themen
einzubringen wie ihre Altersgenoss*innen aus privilegierteren Familien. Wir
wollen die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Klassismus voranbringen,
indem wir unsere eigenen Strukturen immer wieder kritisch hinterfragen und zu
einem Vorbild klassismuskritischen Handelns werden!
Klassismuskritik darf sich für uns aber nicht im Empowerment armer Menschen
erschöpfen. Oberste Priorität muss weiterhin sein, Armut und armutserzeugende
Strukturen entschieden zu bekämpfen! Um die Lebenslage und die Teilhabechancen
armer junger Menschen zu verbessern und klassistische Benachteiligungen
abzubauen, fordern wir:
[1] Funcke, A. & Menne, S. (2023): Kinder- und Jugendarmut in Deutschland. Hrsg.
von der Bertelsmann Stiftung. <https://www.bertelsmann-
stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/factsheet-kinder-und-jugendarmut-
in-deutschland> [Letzter Zugriff: 04.10.2023]
[2] U.a.: „Jugendarmut bekämpfen!“ Position des Deutschen Bundesjugendrings,
verabschiedet von der Vollversammlung am 26./27. Oktober 2018 in Dresden
<https://www.dbjr.de/artikel/jugendarmut-bekaempfen>; „Die Zeit für Entlastung
junger Menschen und ihrer Jugendverbände ist jetzt!“ Position des Deutschen
Bundesjugendrings, verabschiedet vom Hauptausschuss am 14. September 2022
<https://www.dbjr.de/artikel/die-zeit-fuer-entlastung-junger-menschen-und-ihrer-
jugendverbaende-ist-jetzt>
Kommentare