| Status: | Beschluss |
|---|---|
| Beschluss durch: | 98. Vollversammlung |
| Beschlossen am: | 25.10.2025 |
| Antragshistorie: | Version 3 |
Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt in der Jugendverbandsarbeit
Beschlusstext
Die Vollversammlung des Deutschen Bundesjugendrings (DBJR) nimmt das „Gesetz zur
Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen“
(UBSKM-Gesetz) zur Kenntnis und bewertet es wie folgt:
Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Strukturen zur Prävention, Intervention und
Aufarbeitung sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen dauerhaft
gestärkt werden. Insbesondere die gesetzliche Verankerung der Unabhängigen
Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), des
Betroffenenrates und der Unabhängigen Aufarbeitungskommission sind ein starkes
Signal für die dauerhafte Verankerung der Würdigung und Aufarbeitung der
erfahrenen Gewalt Betroffener sowie des Schutzes von Kindern und Jugendlichen in
der politischen Agenda.
Prävention, Intervention und Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt gehören zu
den Aufgaben und dem Selbstverständnis der Jugendverbandsarbeit dazu. Kinder und
Jugendliche sind eine besonders vulnerable Gruppe und müssen geschützt werden.
Um jungen Menschen in unseren Strukturen den bestmöglichen Schutz bieten zu
können, muss Prävention und Intervention als fortlaufender Schutzprozess
verstanden werden. Jede Organisation ist ein machtvoller Raum in der diese Macht
ausgenutzt werden kann. Deswegen muss sie sich mit ihrer Kultur zum Schutz von
Kindern, Jugendlichen und jungen Menschen auseinandersetzen, Schutzstandards
spezifisch erarbeiten und dieses regelmäßig kritisch reflektieren. Prozesse
müssen partizipativ gestaltet und Betroffene angemessen beteiligt werden.
Die Einführung verpflichtender institutioneller Standards und Konzepte für den
Kinder- und Jugenschutz für Einrichtungen der Kinder- und
Jugendhilfe kann einen wichtigen Beitrag zur Qualitätsentwicklung und
Professionalisierung leisten. Sie gibt einen wichtigen Impuls, Strukturen zum
Schutz und eine Kultur der Prävention, Intervention, Machtsensibilität und
Beteiligung auszubauen. Dabei bestätigt sie viele Jugendverbände, die bereits
Schutzprozesse durchlaufen sind und dem Thema sexualisierte Gewalt gegen Kinder
und Jugendliche bereits auf struktureller Ebene institutionell begegnet sind.
Bei der Einführung müssen bereits bestehende Schutzkonzepte, zum Beispiel in
verbandlichen oder kirchlichen Strukturen, anerkannt werden. Die dort gewonnenen
Erfahrungen sollen in die Weiterentwicklung einheitlicher Standards einfließen.
Bei all dem müssen die Standards zur Betroffenenbeteiligung im Kontext
institutioneller Aufarbeitung sexualisierter Gewalt, entstanden aus dem
Dialogprozess der UBSKM, als verpflichtendes Leitbild gelten.
Gleichzeitig sehen wir Herausforderungen, die besonders die Strukturen der
Jugendverbandsarbeit betreffen:
- Zusätzlicher Aufwand und Ressourcenbedarf: Ehrenamtlich getragene
Strukturen können die geforderten Schutzstandards häufig nicht ohne
Unterstützung umsetzen. Insbesondere Interventionskonzepte bedürfen
professioneller Begleitung.
- Uneinheitliche Prüf- und Umsetzungsstandards: Die föderale Zuständigkeit
birgt das Risiko, dass Jugendämter Schutzkonzepte nach unterschiedlichen
Kriterien bewerten. Zudem kann die Qualität der Standards sehr schwanken,
je nachdem, welche Priorität und Ressourcen das jeweilige Jugendamt dort
einbringt.
- Fehlende langfristige Absicherung:Jugendverbandliche Fachstellen müssen
dauerhaft abgesichert sein, um eine verlässliche Ressource darzustellen.
Aus diesen Einschätzungen heraus fordert die Vollversammlung des DBJR:
- Zusätzliche finanzielle und personelle Ressourcen für Jugendverbände, um
die Entwicklung, Umsetzung und Verstetigung von Schutzkonzepten zu
ermöglichen.Hinzukommende Qualitätsstandards zum Schutz vor sexualisierter
Gewalt müssen mit entsprechenden Ressourcen hinterlegt werden: Bei den
freien Trägern, die sie umsetzten müssen und bei öffentlich Trägern, die
sie erarbeiten, die Umsetzung begleiten und prüfen müssen (die
Jugendämter). Dazu braucht es Mittel auf Bundes-, Landes- sowie
Kommunalebene.
Partizipative Weiterentwicklung: Für die Entwicklung und
Weiterentwicklung von verbindlichen Schutzstandards braucht es einen
regelmäßigen und institutionalisierten Austausch zwischen staatlichen
Stellen, Betroffenenbeteiligungen und freien Trägern. Dabei müssen die
Standards zur Betroffenenbeteiligung im Kontext sexualisierter Gewalt
Geltung finden und selbst zum verpflichtenden Standard für alle
Institutionen werden.Jugendverbände sollen an diesem Prozess beteiligt werden, damit ihre
Praxiserfahrungen und bestehenden Konzepte in die Standardentwicklung
einfließen können.
Föderale Logik darf nicht dazu führen, dass große qualitative
Unterschiede im Schutz von Kindern und Jugendlichen zwischen Bundesländern
bestehen. Dazu regen wir an dass sich die im Gesetz mit der Erarbeitung
fachlicher Empfehlungen adressierten öffentlichen Träger (nach § 85 (2)
SGB IIIV (Landesjugendämter), fachlich unterstützt durch die UBSKM, auf
gemeinsame Leitlinien verständigen, nach denen Qualitätsstandards
entwickelt werden.
- Entbürokratisierung der Umsetzung: Prüfverfahren müssen praxisnah,
verständlich und auf Kooperation ausgerichtet sein. Ziel muss eine
gemeinsame Arbeit am Schutz von Kindern und Jugendlichen sein, nicht die
Erhöhung administrativer Lasten.
- Dauerhafte Förderung von Prävention, Intervention und Aufarbeitung über
zeitlich begrenzte Programme hinaus. Strukturen brauchen langfristige
Planungssicherheit.
- Stärkung von Partizipation und Qualifizierung: Schutzkonzepte müssen unter
aktiver Beteiligung von insbesondere Betroffenen und darüber hinaus von
jungen Menschen, Ehrenamtlichen und Fachkräften entwickelt und durch
Fortbildungsangebote unterstützt werden. Dabei sollen Qualifizierungen
nicht nur Schulungen zu Konzepten umfassen, sondern auch eine inhaltliche
Ausbildung. Dazu gehören insbesondere eine Haltungs- und Kulturentwicklung
sowie Sensibilisierung. Insbesondere Jugendleiter*innen und Ehrenamtliche
brauchen praxisnahe Qualifizierung, damit sie im Alltag
Handlungssicherheit gewinnen und Schutzkonzepte nicht nur formal, sondern
auch praktisch gelebt werden können.
Der DBJR bekräftigt seine Bereitschaft, an der Weiterentwicklung einer starken
Kultur zum Schutz von jungen Menschen vor sexualisierter Gewalt
sowie einer Kultur der Machtsensibilität mitzuwirken.
Prävention und Aufarbeitung sollen dabei eng miteinander verbunden gedacht
werden, da die Lehren aus Aufarbeitungsprozessen die Präventionsarbeit wirksam
stärken können.
- Qualitätssicherung: Für gute Qualitätsstandards ist es notwendig, dass die
Jugendämter diese transparent machen, partizipativ in Zusammenarbeit mit
freien Trägern erarbeiten und dass die Qualitätsstandards regelmäßig
überprüft werden.
Damit das UBSKM-Gesetz seine volle Wirkung entfalten kann, braucht es
Verbindlichkeit, Verlässlichkeit und Unterstützung für die Strukturen der
Jugendverbandsarbeit.
Begründung
Mit dem UBSKM-Gesetz wird der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt auf eine dauerhafte gesetzliche Grundlage gestellt. Dies ist ein wichtiger Schritt, den der DBJR ausdrücklich begrüßt. Die gesetzliche Verankerung der Unabhängigen Beauftragten, des Betroffenenrates und der Unabhängigen Aufarbeitungskommission stärkt die Rechte von Betroffenen und sorgt dafür, dass Prävention, Aufarbeitung und Sensibilisierung nicht länger von politischen Mehrheiten oder zeitlich begrenzten Projekten abhängen.
Für die Jugendverbandsarbeit eröffnet das Gesetz Chancen: verpflichtende Schutzkonzepte können zu einer Verbesserung der Qualität in der Präventionsarbeit führen, und die öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema schafft zusätzliche Legitimation für die intensive Arbeit, die Jugendverbände bereits seit Jahren leisten. Durch ihre ehrenamtlichen und demokratisch verfassten Strukturen sind Jugendverbände besonders geeignet, eine Kultur des Hinschauens, der Beteiligung und des Vertrauens zu fördern.
Gleichzeitig bringt das Gesetz aber auch Herausforderungen mit sich. Die Umsetzung von Schutzkonzepten erfordert Zeit, Qualifizierung und finanzielle Ressourcen. Gerade ehrenamtlich getragene Strukturen stoßen hier schnell an ihre Grenzen. Ohne flankierende Unterstützung besteht die Gefahr, dass Schutzkonzepte als zusätzliche bürokratische Hürde erlebt werden, statt als wirksames Instrument für mehr Kinderschutz. Hinzu kommt, dass Jugendämter als prüfende Instanzen unterschiedliche Maßstäbe anlegen können. Dies führt zu Unsicherheit und verhindert eine verlässliche Praxis.
Um die Wirkung des Gesetzes zu sichern, ist es deshalb entscheidend, die Rahmenbedingungen für Jugendverbände so zu gestalten, dass Schutzkonzepte nicht nur formal erfüllt, sondern inhaltlich gelebt werden können. Das gelingt nur, wenn zusätzliche Ressourcen bereitgestellt, einheitliche Kriterien entwickelt und Verfahren entbürokratisiert werden. Schutz muss im Mittelpunkt stehen – nicht Verwaltungsaufwand.
Der DBJR macht mit diesem Beschluss deutlich: Wir stehen hinter den Zielen des Gesetzes und wollen aktiv zu seiner erfolgreichen Umsetzung beitragen. Dafür braucht es jedoch konkrete Unterstützungsmaßnahmen seitens des Bundes und der Länder, damit Kinder- und Jugendschutz in den Jugendverbänden dauerhaft und wirksam verankert wird.
