| Antrag: | Generationengerechtigkeit neu denken – Für eine Politik der intergenerationellen Solidarität |
|---|---|
| Antragsteller*in: | SJD - Die Falken |
| Status: | Geprüft |
| Eingereicht: | 24.10.2025, 01:49 |
Ä1 zu A1: Generationengerechtigkeit neu denken – Für eine Politik der intergenerationellen Solidarität
Antragstext
Von Zeile 133 bis 134 einfügen:
einem Instrument zur Stabilisierung bestehender Machtstrukturen und zur Schaffung vermeintlicher fiskalischer Zwänge.
Spätestens seit den ersten Gesetzesentwürfen zur neuen Wehrpflicht muss sich die junge Generation auch wieder mit der staatlichen Sicherheitspolitik in Deutschland und Europa auseinandersetzen.
Wo in der Sozial- und Gesundheitspolitik gespart wird, und sich deutliche Auswirkungen auf den Alltag von Kindern und Jugendlichen erkennen lassen, wird an anderer Stelle wieder für den Kriegsfall aufgerüstet. Im Bundestag wird sich um mögliche Los-Verfahren und Verpflichtung gestritten, während die Jugend zu diesem Thema wenig Gehör findet und sich einseitig mit dem Thema beschäftigen muss. Besonders Jugendliche, deren Familien finanziell benachteiligt sind, wird eine vermeintliche Aufstiegsschance versprochen. Dass sie hierbei potenziell mit ihrem Leben bezahlen müssen oder eben mit dem anderer, wird oft nur unzureichend aufgegriffen.
Auch diese Debatte zeigt deutlich, dass geopolitische und finanzielle Interessen über die junger Menschen gestellt werden. Gleichzeitig sollen genau diese die Pläne der Bundesregierung ausführen und dabei ihr Leben riskieren.
Jugendverbände sind Orte, an denen junge Menschen nicht bloß Zielgruppen von
Entscheidungen sind, sondern gestaltende Akteur*innen im Hier und Jetzt – mit
eigenen Perspektiven, Rechten und Interessen. In Jugendverbänden übernehmen sie
Verantwortung, organisieren sich selbst, treffen gemeinsame Entscheidungen und
gestalten demokratische Strukturen aktiv mit. Viele Themen, mit denen sich
Jugendverbände seit Langem auseinandersetzen, kreisen um die Frage: Wie kann
gesellschaftliches Zusammenleben so gestaltet werden, dass jetzige wie auch
künftige Generationen ein gutes Leben führen können?
Vor diesem Hintergrund stellt es eine erhebliche Leerstelle dar, wenn
gesellschaftliche und politische Debatten über das Verhältnis der Generationen
geführt werden, ohne die Erfahrungen und Perspektiven der Jugendverbände
einzubeziehen. Jugendverbände verfügen bereits über ein breites Spektrum
demokratisch ausgehandelter Perspektiven darauf, was es für ein gutes
Miteinander jetziger und künftiger Generationen braucht – etwa in Bezug auf
Fiskal[1]-, Klima[2]-, Migrations[3]- oder Rentenpolitik[4]. Als gelebte Praxis
demokratischer Mitgestaltung junger Menschen sind Jugendverbände unverzichtbar
für jede ernsthafte Auseinandersetzung darüber, wie gesellschaftliche
Verantwortung in Gegenwart und Zukunft solidarisch und nachhaltig gestaltet
werden kann.
Demografischer Wandel: Die Stimme junger Menschen droht unterzugehen
Deutschland durchlebt derzeit tiefgreifende demografische Veränderungen: Die
Bevölkerung altert, die Lebenserwartung steigt, während zugleich die Zahl der
jungen Menschen in Relation zur Gesamtbevölkerung sinkt. Der Anteil älterer
Menschen an der Gesamtbevölkerung nimmt deutlich zu – laut Prognosen wird bis
2035 etwa jeder dritte Mensch in Deutschland 65 Jahre oder älter sein.
Gleichzeitig geht die Geburtenrate zurück und die Erwerbsbevölkerung schrumpft.
Dieser demografische Wandel hat weitreichende Folgen – nicht nur für Renten-,
Pflege- und Gesundheitssysteme, sondern auch für politische
Entscheidungsprozesse und das gesellschaftliche Zusammenleben insgesamt.
In einer Gesellschaft, in der ältere Bevölkerungsgruppen zahlenmäßig und bei
Wahlen dominieren, bleiben die Interessen junger Menschen bei politischen
Entscheidungen häufig unberücksichtigt. Da das Wahlrecht auf Bundesebene erst ab
18 Jahren gilt und somit eine große Bevölkerungsgruppe vom Wahlrecht gänzlich
ausgeschlossen wird, orientieren sich politische Strategien und Maßnahmen oft
primär an den Bedürfnissen und Erwartungen älterer Wähler*innengruppen. Dabei
sind gerade junge Menschen von langfristigen politischen Weichenstellungen
besonders betroffen. Vor diesem Hintergrund ist die Absenkung des Wahlalters
dringend geboten, um junge Menschen politisch sichtbarer zu machen und ihre
Interessen angemessen zu vertreten.[5]
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass junge Menschen nicht homogen sind,
sondern vielfältige Diskriminierungserfahrungen machen. Wer jung ist und
zugleich struktureller Benachteiligung ausgesetzt ist – etwa durch rassistische
Zuschreibungen, Klassismus, Sexismus, Ableismus oder Queerfeindlichkeit – erlebt
eine spezifische Form intersektionaler Marginalisierung: Der Ausschluss aufgrund
des Alters verschränkt sich mit weiteren gesellschaftlichen Abwertungen. Der
Bundesjugendring setzt sich dafür ein, dass gerade auch die Perspektiven von
mehrfach diskriminierten jungen Menschen in demokratischen Prozessen sichtbarer
werden.
Echte Beteiligung statt Scheinlösungen
Gleichzeitig braucht es institutionelle Beteiligungsrechte und verbindliche,
nachhaltige Einflussmöglichkeiten, über das formale Wahlrecht hinaus. Dabei
warnt der Bundesjugendring vor übereiltem Aktionismus und oberflächlichen
Scheinlösungen. Insbesondere Jugendbeteiligung auf Bundesebene ist ein komplexes
und anspruchsvolles Vorhaben, das sorgfältige konzeptionelle Überlegungen
erfordert. Bei der Entscheidung über den richtigen Beteiligungsprozess und das
richtige Format gilt es viel zu beachten, um sich nicht der Gefahr von
Scheinbeteiligung auszusetzen. So können Jugendbeiräte zumindest auf Bundesebene
nicht ausreichend umfassend die Potenziale von wirksamer Jugendbeteiligung
entfalten, denn eine Beteiligung einzelner junger Menschen ohne Verankerung in
tragfähigen Strukturen und Rückbindemöglichkeiten bildet „die Jugend“ nicht in
ihrer Vielfalt ab. Einer kleineren Zahl einzelner jungen Menschen in einem
separierten Gremium eines Bundesministeriums einen Platz zu geben, eröffnet für
die vielen Millionen weiteren jungen Menschen erst einmal keine aktive
Mitwirkungsmöglichkeit und birgt im Gegenteil die Gefahr von institutionellen
Abhängigkeiten.
Jugendbeteiligung auf Bundesebene gewinnt nur dann echte Legitimität, wenn die
beteiligten Personen von jungen Menschen selbst demokratisch legitimiert sind
und ihre Forderungen in demokratischen Verfahren ausgehandelt werden.
Jugendparlamente oder vergleichbare Modelle können auf kommunaler Ebene sinnvoll
sein, da dort Beteiligungsgegenstände konkreter sind, Entscheidungsmacht
leichter übertragen werden kann und durch Wahlen oder Delegationsprinzipien eine
breitere Vertretung möglich ist. Bundesweit sind politische Entscheidungsräume
wesentlich abstrakter, wodurch Beteiligungsformate komplexer und anspruchsvoller
sein müssen.
Entscheidend ist, dass Jugendbeteiligung auf Bundesebene sich an den
„Qualitätsstandards für Kinder- und Jugendbeteiligung“ messen lässt und den
Fokus konsequent bei jungen Menschen und ihren Selbstorganisationen behält –
nicht bei den Bedarfen von Ministerien oder Parlament.
Wie „Generationengerechtigkeit“ als Begründung für politische Sparkurse
herhalten muss
In der aktuellen politischen Debatte wird Generationengerechtigkeit zunehmend zu
einem normativen Schlagwort, das vor allem dazu dient, bestimmte Politiken
moralisch zu legitimieren – insbesondere im Bereich der Haushalts-, Finanz- und
Rentenpolitik. Der Begriff wird dabei mit einem eng geführten ökonomischen
Verständnis von Verantwortung gegenüber „zukünftigen Generationen“ verknüpft. In
dieser Lesart bedeutet Generationengerechtigkeit vor allem: keine neuen
Schulden, Sparsamkeit im Staatshaushalt, finanzielle Disziplin.
Diese Verwendung des Begriffs blendet zentrale Fragen eines guten
intergenerationellen Miteinanders systematisch aus. Sie reduziert das Verhältnis
zwischen den Generationen auf eine monetäre Logik und ignoriert dabei andere
Dimensionen wie soziale Teilhabe, ökologische Nachhaltigkeit oder politische
Mitbestimmung. Politisch schlägt sich diese Logik in der Forderung nach
restriktiven Haushaltsregeln, Investitionszurückhaltung und Kürzungen bei
öffentlichen Ausgaben nieder. Aufgrund der oben genannten Logiken betrifft dies
besonders Bereiche, die für junge Menschen von zentraler Bedeutung sind.
In der Rentenpolitik wird der Begriff Generationengerechtigkeit häufig genutzt,
um Reformen mit dem Hinweis auf demografische Entwicklungen zu rechtfertigen.
Der sogenannte „Generationenvertrag“ dient dabei oft als rhetorische Figur, um
eine Politik zu stützen, die reale Leistungsversprechen einschränkt, Beiträge
erhöht oder die Verantwortung in die individuelle Vorsorge verlagert. Statt ein
solidarisches und zukunftsfestes Rentensystem zu diskutieren[6], dominiert auch
hier die fiskalische Perspektive.
Die Gegenüberstellung von alten und jungen Menschen verschleiert zudem, dass die
realen Konflikte sich um wirtschaftliche Macht und politischen Einfluss drehen.
Gerechtigkeit zwischen den Generationen bedeutet daher vor allem Umverteilung –
nicht von jung zu alt oder umgekehrt, sondern vor allem zwischen Arm und Reich.
Eine Politik, die ernsthaft an einem guten Zusammenleben der Generationen
interessiert ist, muss deshalb die sozialen Verteilungsfragen in den Mittelpunkt
stellen und Rahmenbedingungen schaffen, die sozial benachteiligte Menschen
stärken, unabhängig von ihrem Alter.
Was sich hinter vielen politischen Diskursbeiträgen verbirgt, ist eine
Verschiebung von Gerechtigkeitsfragen: weg von strukturellen Macht- und
Verteilungsungleichheiten hin zu einer verkürzten Gegenüberstellung von
(ökonomischen) Generationeninteressen. Narrative von „verantwortungsvoller
Politik für die Jungen“ oder der „Schuld der Älteren an zukünftigen Lasten“
dienen dabei häufig als rhetorischer Hebel, um unpopuläre Sparmaßnahmen zu
legitimieren. Andersrum wird oft mit Verweis auf eine „Anerkennung von
Lebensleistung“ argumentiert. Diese Form der Argumentation tarnt politische
Prioritätensetzung als moralische Notwendigkeit – und entzieht sie so einer
demokratischen Aushandlung.
Ein echter Generationenvertrag entsteht nur auf Augenhöhe
Zugleich offenbart sich in der aktuellen Debatte ein fundamentales
Demokratiedefizit. Die Interessen junger Menschen werden in politischen
Diskussionen häufig nur dann berücksichtigt, wenn sie in bestehende politische
Narrative passen oder zur Rechtfertigung bestimmter Agenden dienen. Dieses
selektive Wahrnehmen führt dazu, dass Beteiligung junger Menschen selten als
unverzichtbarer und selbstverständlicher Bestandteil demokratischer Prozesse
anerkannt wird. Stattdessen wird sie oft auf freiwillige Beigaben, symbolische
Gesten oder punktuelle Projekte reduziert.
Wenn Generationengerechtigkeit heute lediglich als Legitimation für politische
Sparmaßnahmen und Kürzungen genutzt wird, ohne verbindliche Mitbestimmungsrechte
zu verankern oder echte Beteiligungsräume zu schaffen, verkommt der Begriff zu
einem Instrument zur Stabilisierung bestehender Machtstrukturen und zur
Schaffung vermeintlicher fiskalischer Zwänge.
Spätestens seit den ersten Gesetzesentwürfen zur neuen Wehrpflicht muss sich die junge Generation auch wieder mit der staatlichen Sicherheitspolitik in Deutschland und Europa auseinandersetzen.
Wo in der Sozial- und Gesundheitspolitik gespart wird, und sich deutliche Auswirkungen auf den Alltag von Kindern und Jugendlichen erkennen lassen, wird an anderer Stelle wieder für den Kriegsfall aufgerüstet. Im Bundestag wird sich um mögliche Los-Verfahren und Verpflichtung gestritten, während die Jugend zu diesem Thema wenig Gehör findet und sich einseitig mit dem Thema beschäftigen muss. Besonders Jugendliche, deren Familien finanziell benachteiligt sind, wird eine vermeintliche Aufstiegsschance versprochen. Dass sie hierbei potenziell mit ihrem Leben bezahlen müssen oder eben mit dem anderer, wird oft nur unzureichend aufgegriffen.
Auch diese Debatte zeigt deutlich, dass geopolitische und finanzielle Interessen über die junger Menschen gestellt werden. Gleichzeitig sollen genau diese die Pläne der Bundesregierung ausführen und dabei ihr Leben riskieren.
Wer heute von einem Generationenvertrag spricht, muss diesen auf Augenhöhe
gemeinsam mit jungen Menschen aushandeln und gestalten. Nur so kann eine
demokratische Legitimation und damit Akzeptanz in der Gesamtheit der Bevölkerung
entstehen, die den Herausforderungen des demografischen Wandels, zunehmender
Armut und sozialer Ungleichheit sowie ökologischer Krisen gerecht wird und den
Weg zu einer solidarischen, nachhaltigen und zukunftsfähigen Gesellschaft ebnet.
Der wahre Konflikt ist ein Macht- und Verteilungskonflikt
Der traditionelle Gedanke eines Generationenvertrags, wie er etwa in der
Rentenversicherung angestrebt wird, beruht auf einem weitgehend solidarischen
Umlageverfahren: Die heute Erwerbstätigen finanzieren die Renten der älteren
Generation und erwerben gleichzeitig selbst Ansprüche für die Zukunft. Dieses
System steht angesichts des demografischen Wandels vor großen Herausforderungen,
wird jedoch oft verkürzt als „nicht generationengerecht“ kritisiert. Dabei wird
häufig ein vermeintlicher Konflikt zwischen den Generationen konstruiert – die
Älteren gegen die Jüngeren.
Diese Sichtweise greift jedoch zu kurz. Gesellschaftliche Konfliktlinien
verlaufen nicht primär zwischen Altersgruppen, sondern entlang tief verwurzelter
sozialer Ungleichheiten und ökonomischer Machtverhältnisse. Strukturelle
Benachteiligungen wie Armut, eine extreme Ungleichverteilung von Vermögen,
prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse sowie systematische
Ausbeutungsverhältnisse prägen den Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen und
schränken Teilhabemöglichkeiten erheblich ein. Soziale Ungleichheiten sind tief
verankert in sich überlagernden Herrschaftsverhältnissen wie Patriarchat,
Rassismus, Klassismus, Adultismus oder Ableismus. Eine gerechte
gesellschaftliche Gestaltung kann deshalb nicht an einer vermeintlichen
Gegnerschaft zwischen Jung und Alt ansetzen. Sie erfordert vielmehr eine
konsequente Umverteilung von Ressourcen und Macht – insbesondere durch
tiefgreifende Veränderungen in Eigentums- und Vermögensverhältnissen[7],
Arbeitsbedingungen[8],dem Zugang zu Bildung[9], Wohnraum[10],
Gesundheitsversorgung[11] sowie der demokratischen Gestaltung ökologischer
Transformationsprozesse[12].
Von Generationengerechtigkeit zu intergenerationeller Solidarität
Im Unterschied zum häufig normativ und eng gefassten Begriff der
„Generationengerechtigkeit“, der sich vor allem auf Fragen der Verteilung von
Ressourcen und Lasten zwischen Generationen konzentriert, plädiert der
Bundesjugendring für einen umfassenderen und verbindenderen Begriff:
intergenerationelle Solidarität.
Gerechtigkeit in diesem Kontext wird zumeist als Verpflichtung gegenüber anderen
verstanden – sie folgt einem Prinzip von Ausgleich und Verantwortung, das häufig
in rechtlich-institutionellen Kategorien gedacht wird. Generationengerechtigkeit
operiert dabei vielfach mit dem Bild einer Waage: Was die heutige Generation
verbraucht, muss zukünftigen Generationen in gleicher Weise zur Verfügung
stehen.
Solidarität hingegen geht weiter: Sie ist nicht bloß Ausgleich, sondern ein
aktives soziales Verhältnis. Intergenerationelle Solidarität meint die bewusste
Entscheidung für ein wechselseitiges Miteinander der Generationen, das auf
gegenseitigem Respekt, Anerkennung und aktiver Teilhabe beruht. Solidarität ist
kein bloßer moralischer Imperativ, sondern ein politischer Gestaltungsanspruch:
Sie verlangt Strukturen, die ermöglichen, dass sich unterschiedliche
Generationen gegenseitig zuhören, voneinander lernen, sich unterstützen und
gemeinsame Entscheidungen treffen und gemeinsam gesellschaftliche Verantwortung
übernehmen.
Solidarität ist ihrem Wesen nach inklusiv. Sie richtet sich nicht nur an die
abstrakten Kategorien „jung“ oder „alt“, sondern bezieht die gesamte
gesellschaftliche Vielfalt mit ein. Das bedeutet, dass Solidarität auch
migrationsgesellschaftlich gedacht werden muss. Menschen mit
Migrationsgeschichte sind Teil jeder Generation und übernehmen Verantwortung in
allen Bereichen des Gemeinwesens. Eine solidarische Haltung erkennt ihre
Beiträge ausdrücklich an, stellt gemeinsame Verantwortung über rassistische
Abwertungen und verweigert sich Spaltungsnarrativen, die Zugehörigkeit infrage
stellen. Intergenerationelle Solidarität heißt daher nicht nur, Verantwortung
zwischen Generationen zu teilen, sondern auch sicherzustellen, dass innerhalb
der Generationen niemand durch rassistische Diskriminierung oder andere Formen
struktureller Abwertung delegitimiert oder ausgeschlossen wird.
Solidarität heißt: Gemeinsam Verantwortung übernehmen
Während Gerechtigkeit häufig im Rückblick auf erlittenes Unrecht oder mit Blick
auf zukünftige Verpflichtungen diskutiert wird – etwa in Fragen wie „Wer hat was
verloren?“ oder „Was müssen wir kommenden Generationen bewahren?“ – richtet sich
Solidarität auf das gemeinsame Handeln in der Gegenwart. Sie ist dialogisch
angelegt, weil sie die Vielfalt unterschiedlicher Lebensrealitäten und
Erfahrungen anerkennt, ohne diese in Konkurrenz zueinander zu setzen.
Solidarität sucht nicht den Ausgleich im Sinne von Abwägen und Aufrechnen,
sondern beruht auf wechselseitigem Zuhören, Anerkennung und dem Willen zur
Zusammenarbeit im Hier und Jetzt.
Der Bundesjugendring befürwortet daher eine Perspektive, die das Verbindende vor
das Trennende stellt. Intergenerationelle Solidarität ist Ausdruck einer
demokratischen und solidarischen Gesellschaft, in der Generationen sich nicht
als Anspruchsgruppen gegenüberstehen, sondern als Mitgestaltende eines
gemeinsamen Jetzt und Morgen handeln.
Diese solidarische Haltung beinhaltet mehrere zentrale Dimensionen:
- Verantwortung und Fürsorge über Altersgrenzen hinweg: Eine solidarische
Gesellschaft trägt Verantwortung für alle Altersgruppen und gestaltet
soziale Sicherheit als gemeinschaftliche Aufgabe – nicht als Frage von
Gegensätzen zwischen Jung und Alt, sondern im Sinne wechselseitiger
Fürsorge und Verantwortung.
- Gemeinsame Gestaltung von Zukunft: Solidarität verpflichtet dazu, junge
Menschen nicht als bloße Empfänger zukünftiger Leistungen zu betrachten,
sondern als aktive Mitgestalter*innen politischer und sozialer Prozesse
einzubinden. Nur so kann Demokratie zukunftsfähig sein.
- Integration sozialer und ökologischer Gerechtigkeit: Solidarität verbindet
soziale Teilhabe und ökologische Nachhaltigkeit. Sie fordert eine Politik,
die soziale Ungleichheiten abbaut und gleichzeitig die ökologischen
Grundlagen für ein gutes Leben für alle bewahrt- heute und in Zukunft.
- Überwindung von Spaltungsnarrativen: Intergenerationelle Solidarität
richtet sich gegen einseitige Konfliktzuschreibungen zwischen „Jung“ und
„Alt“. Stattdessen macht sie deutlich, dass soziale Ungleichheit und
Machtverhältnisse, nicht das Alter, die Hauptursachen gesellschaftlicher
Konflikte sind.
Intergenerationelle Solidarität fordert also ein solidarisches Miteinander, das
Generationen nicht als Gegensätze, sondern als Verbündete versteht. Sie ist ein
politisches Leitprinzip, das über bloße finanzielle Ausgleichsmechanismen
hinausgeht und eine inklusive, demokratische und nachhaltige
Gesellschaftsordnung ermöglicht.
Nur durch eine solche solidarische Haltung kann eine echte Zukunftsperspektive
entstehen, in der niemand zurückgelassen wird und alle Generationen ihre Chancen
auf ein gutes Leben verwirklichen können.
[1]https://www.dbjr.de/artikel/forderungen-fuer-eine-jugend-und-
generationengerechte-fiskalpolitik;
[2]https://www.dbjr.de/artikel/sozial-und-oekologisch-gerecht;
https://www.dbjr.de/artikel/junge-menschen-bewegen-eine-nachhaltige-
mobilitaetswende-fuer-alle
[3]https://www.dbjr.de/artikel/migrationspolitik-ist-jugendpolitik;
https://www.dbjr.de/artikel/leben-retten-seenotrettung-im-mittelmeer-
sicherstellen-und-solidarische-fluechtendenpolitik-endlich-umsetzen
[4]https://www.dbjr.de/artikel/rente-ist-jugendthema-die-gesetzliche-
rentenversicherung-solidarisch-weiterentwickeln
[5]https://www.dbjr.de/artikel/wahlalter-jetzt-senken
[6]https://www.dbjr.de/artikel/rente-ist-jugendthema-die-gesetzliche-
rentenversicherung-solidarisch-weiterentwickeln
[7]https://www.dbjr.de/artikel/klassismus-entgegenwirken-teilhabe-aller-jungen-
menschen-staerken
[8]https://www.dbjr.de/artikel/einfuehrung-einer-gesetzlichen-
mindestausbildungsverguetung; https://www.dbjr.de/artikel/ausbildung-besser-
machen
[9]https://www.dbjr.de/artikel/bildung-ist-zukunft
[10]https://www.dbjr.de/artikel/mehr-guenstigen-wohnraum-fuer-junge-menschen
[11]https://www.dbjr.de/artikel/mentale-gesundheit-junger-menschen-in-
krisenzeiten-staerken
[12]https://www.dbjr.de/artikel/sozial-und-oekologisch-gerecht
Von Zeile 133 bis 134 einfügen:
einem Instrument zur Stabilisierung bestehender Machtstrukturen und zur Schaffung vermeintlicher fiskalischer Zwänge.
Spätestens seit den ersten Gesetzesentwürfen zur neuen Wehrpflicht muss sich die junge Generation auch wieder mit der staatlichen Sicherheitspolitik in Deutschland und Europa auseinandersetzen.
Wo in der Sozial- und Gesundheitspolitik gespart wird, und sich deutliche Auswirkungen auf den Alltag von Kindern und Jugendlichen erkennen lassen, wird an anderer Stelle wieder für den Kriegsfall aufgerüstet. Im Bundestag wird sich um mögliche Los-Verfahren und Verpflichtung gestritten, während die Jugend zu diesem Thema wenig Gehör findet und sich einseitig mit dem Thema beschäftigen muss. Besonders Jugendliche, deren Familien finanziell benachteiligt sind, wird eine vermeintliche Aufstiegsschance versprochen. Dass sie hierbei potenziell mit ihrem Leben bezahlen müssen oder eben mit dem anderer, wird oft nur unzureichend aufgegriffen.
Auch diese Debatte zeigt deutlich, dass geopolitische und finanzielle Interessen über die junger Menschen gestellt werden. Gleichzeitig sollen genau diese die Pläne der Bundesregierung ausführen und dabei ihr Leben riskieren.
Jugendverbände sind Orte, an denen junge Menschen nicht bloß Zielgruppen von
Entscheidungen sind, sondern gestaltende Akteur*innen im Hier und Jetzt – mit
eigenen Perspektiven, Rechten und Interessen. In Jugendverbänden übernehmen sie
Verantwortung, organisieren sich selbst, treffen gemeinsame Entscheidungen und
gestalten demokratische Strukturen aktiv mit. Viele Themen, mit denen sich
Jugendverbände seit Langem auseinandersetzen, kreisen um die Frage: Wie kann
gesellschaftliches Zusammenleben so gestaltet werden, dass jetzige wie auch
künftige Generationen ein gutes Leben führen können?
Vor diesem Hintergrund stellt es eine erhebliche Leerstelle dar, wenn
gesellschaftliche und politische Debatten über das Verhältnis der Generationen
geführt werden, ohne die Erfahrungen und Perspektiven der Jugendverbände
einzubeziehen. Jugendverbände verfügen bereits über ein breites Spektrum
demokratisch ausgehandelter Perspektiven darauf, was es für ein gutes
Miteinander jetziger und künftiger Generationen braucht – etwa in Bezug auf
Fiskal[1]-, Klima[2]-, Migrations[3]- oder Rentenpolitik[4]. Als gelebte Praxis
demokratischer Mitgestaltung junger Menschen sind Jugendverbände unverzichtbar
für jede ernsthafte Auseinandersetzung darüber, wie gesellschaftliche
Verantwortung in Gegenwart und Zukunft solidarisch und nachhaltig gestaltet
werden kann.
Demografischer Wandel: Die Stimme junger Menschen droht unterzugehen
Deutschland durchlebt derzeit tiefgreifende demografische Veränderungen: Die
Bevölkerung altert, die Lebenserwartung steigt, während zugleich die Zahl der
jungen Menschen in Relation zur Gesamtbevölkerung sinkt. Der Anteil älterer
Menschen an der Gesamtbevölkerung nimmt deutlich zu – laut Prognosen wird bis
2035 etwa jeder dritte Mensch in Deutschland 65 Jahre oder älter sein.
Gleichzeitig geht die Geburtenrate zurück und die Erwerbsbevölkerung schrumpft.
Dieser demografische Wandel hat weitreichende Folgen – nicht nur für Renten-,
Pflege- und Gesundheitssysteme, sondern auch für politische
Entscheidungsprozesse und das gesellschaftliche Zusammenleben insgesamt.
In einer Gesellschaft, in der ältere Bevölkerungsgruppen zahlenmäßig und bei
Wahlen dominieren, bleiben die Interessen junger Menschen bei politischen
Entscheidungen häufig unberücksichtigt. Da das Wahlrecht auf Bundesebene erst ab
18 Jahren gilt und somit eine große Bevölkerungsgruppe vom Wahlrecht gänzlich
ausgeschlossen wird, orientieren sich politische Strategien und Maßnahmen oft
primär an den Bedürfnissen und Erwartungen älterer Wähler*innengruppen. Dabei
sind gerade junge Menschen von langfristigen politischen Weichenstellungen
besonders betroffen. Vor diesem Hintergrund ist die Absenkung des Wahlalters
dringend geboten, um junge Menschen politisch sichtbarer zu machen und ihre
Interessen angemessen zu vertreten.[5]
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass junge Menschen nicht homogen sind,
sondern vielfältige Diskriminierungserfahrungen machen. Wer jung ist und
zugleich struktureller Benachteiligung ausgesetzt ist – etwa durch rassistische
Zuschreibungen, Klassismus, Sexismus, Ableismus oder Queerfeindlichkeit – erlebt
eine spezifische Form intersektionaler Marginalisierung: Der Ausschluss aufgrund
des Alters verschränkt sich mit weiteren gesellschaftlichen Abwertungen. Der
Bundesjugendring setzt sich dafür ein, dass gerade auch die Perspektiven von
mehrfach diskriminierten jungen Menschen in demokratischen Prozessen sichtbarer
werden.
Echte Beteiligung statt Scheinlösungen
Gleichzeitig braucht es institutionelle Beteiligungsrechte und verbindliche,
nachhaltige Einflussmöglichkeiten, über das formale Wahlrecht hinaus. Dabei
warnt der Bundesjugendring vor übereiltem Aktionismus und oberflächlichen
Scheinlösungen. Insbesondere Jugendbeteiligung auf Bundesebene ist ein komplexes
und anspruchsvolles Vorhaben, das sorgfältige konzeptionelle Überlegungen
erfordert. Bei der Entscheidung über den richtigen Beteiligungsprozess und das
richtige Format gilt es viel zu beachten, um sich nicht der Gefahr von
Scheinbeteiligung auszusetzen. So können Jugendbeiräte zumindest auf Bundesebene
nicht ausreichend umfassend die Potenziale von wirksamer Jugendbeteiligung
entfalten, denn eine Beteiligung einzelner junger Menschen ohne Verankerung in
tragfähigen Strukturen und Rückbindemöglichkeiten bildet „die Jugend“ nicht in
ihrer Vielfalt ab. Einer kleineren Zahl einzelner jungen Menschen in einem
separierten Gremium eines Bundesministeriums einen Platz zu geben, eröffnet für
die vielen Millionen weiteren jungen Menschen erst einmal keine aktive
Mitwirkungsmöglichkeit und birgt im Gegenteil die Gefahr von institutionellen
Abhängigkeiten.
Jugendbeteiligung auf Bundesebene gewinnt nur dann echte Legitimität, wenn die
beteiligten Personen von jungen Menschen selbst demokratisch legitimiert sind
und ihre Forderungen in demokratischen Verfahren ausgehandelt werden.
Jugendparlamente oder vergleichbare Modelle können auf kommunaler Ebene sinnvoll
sein, da dort Beteiligungsgegenstände konkreter sind, Entscheidungsmacht
leichter übertragen werden kann und durch Wahlen oder Delegationsprinzipien eine
breitere Vertretung möglich ist. Bundesweit sind politische Entscheidungsräume
wesentlich abstrakter, wodurch Beteiligungsformate komplexer und anspruchsvoller
sein müssen.
Entscheidend ist, dass Jugendbeteiligung auf Bundesebene sich an den
„Qualitätsstandards für Kinder- und Jugendbeteiligung“ messen lässt und den
Fokus konsequent bei jungen Menschen und ihren Selbstorganisationen behält –
nicht bei den Bedarfen von Ministerien oder Parlament.
Wie „Generationengerechtigkeit“ als Begründung für politische Sparkurse
herhalten muss
In der aktuellen politischen Debatte wird Generationengerechtigkeit zunehmend zu
einem normativen Schlagwort, das vor allem dazu dient, bestimmte Politiken
moralisch zu legitimieren – insbesondere im Bereich der Haushalts-, Finanz- und
Rentenpolitik. Der Begriff wird dabei mit einem eng geführten ökonomischen
Verständnis von Verantwortung gegenüber „zukünftigen Generationen“ verknüpft. In
dieser Lesart bedeutet Generationengerechtigkeit vor allem: keine neuen
Schulden, Sparsamkeit im Staatshaushalt, finanzielle Disziplin.
Diese Verwendung des Begriffs blendet zentrale Fragen eines guten
intergenerationellen Miteinanders systematisch aus. Sie reduziert das Verhältnis
zwischen den Generationen auf eine monetäre Logik und ignoriert dabei andere
Dimensionen wie soziale Teilhabe, ökologische Nachhaltigkeit oder politische
Mitbestimmung. Politisch schlägt sich diese Logik in der Forderung nach
restriktiven Haushaltsregeln, Investitionszurückhaltung und Kürzungen bei
öffentlichen Ausgaben nieder. Aufgrund der oben genannten Logiken betrifft dies
besonders Bereiche, die für junge Menschen von zentraler Bedeutung sind.
In der Rentenpolitik wird der Begriff Generationengerechtigkeit häufig genutzt,
um Reformen mit dem Hinweis auf demografische Entwicklungen zu rechtfertigen.
Der sogenannte „Generationenvertrag“ dient dabei oft als rhetorische Figur, um
eine Politik zu stützen, die reale Leistungsversprechen einschränkt, Beiträge
erhöht oder die Verantwortung in die individuelle Vorsorge verlagert. Statt ein
solidarisches und zukunftsfestes Rentensystem zu diskutieren[6], dominiert auch
hier die fiskalische Perspektive.
Die Gegenüberstellung von alten und jungen Menschen verschleiert zudem, dass die
realen Konflikte sich um wirtschaftliche Macht und politischen Einfluss drehen.
Gerechtigkeit zwischen den Generationen bedeutet daher vor allem Umverteilung –
nicht von jung zu alt oder umgekehrt, sondern vor allem zwischen Arm und Reich.
Eine Politik, die ernsthaft an einem guten Zusammenleben der Generationen
interessiert ist, muss deshalb die sozialen Verteilungsfragen in den Mittelpunkt
stellen und Rahmenbedingungen schaffen, die sozial benachteiligte Menschen
stärken, unabhängig von ihrem Alter.
Was sich hinter vielen politischen Diskursbeiträgen verbirgt, ist eine
Verschiebung von Gerechtigkeitsfragen: weg von strukturellen Macht- und
Verteilungsungleichheiten hin zu einer verkürzten Gegenüberstellung von
(ökonomischen) Generationeninteressen. Narrative von „verantwortungsvoller
Politik für die Jungen“ oder der „Schuld der Älteren an zukünftigen Lasten“
dienen dabei häufig als rhetorischer Hebel, um unpopuläre Sparmaßnahmen zu
legitimieren. Andersrum wird oft mit Verweis auf eine „Anerkennung von
Lebensleistung“ argumentiert. Diese Form der Argumentation tarnt politische
Prioritätensetzung als moralische Notwendigkeit – und entzieht sie so einer
demokratischen Aushandlung.
Ein echter Generationenvertrag entsteht nur auf Augenhöhe
Zugleich offenbart sich in der aktuellen Debatte ein fundamentales
Demokratiedefizit. Die Interessen junger Menschen werden in politischen
Diskussionen häufig nur dann berücksichtigt, wenn sie in bestehende politische
Narrative passen oder zur Rechtfertigung bestimmter Agenden dienen. Dieses
selektive Wahrnehmen führt dazu, dass Beteiligung junger Menschen selten als
unverzichtbarer und selbstverständlicher Bestandteil demokratischer Prozesse
anerkannt wird. Stattdessen wird sie oft auf freiwillige Beigaben, symbolische
Gesten oder punktuelle Projekte reduziert.
Wenn Generationengerechtigkeit heute lediglich als Legitimation für politische
Sparmaßnahmen und Kürzungen genutzt wird, ohne verbindliche Mitbestimmungsrechte
zu verankern oder echte Beteiligungsräume zu schaffen, verkommt der Begriff zu
einem Instrument zur Stabilisierung bestehender Machtstrukturen und zur
Schaffung vermeintlicher fiskalischer Zwänge.
Spätestens seit den ersten Gesetzesentwürfen zur neuen Wehrpflicht muss sich die junge Generation auch wieder mit der staatlichen Sicherheitspolitik in Deutschland und Europa auseinandersetzen.
Wo in der Sozial- und Gesundheitspolitik gespart wird, und sich deutliche Auswirkungen auf den Alltag von Kindern und Jugendlichen erkennen lassen, wird an anderer Stelle wieder für den Kriegsfall aufgerüstet. Im Bundestag wird sich um mögliche Los-Verfahren und Verpflichtung gestritten, während die Jugend zu diesem Thema wenig Gehör findet und sich einseitig mit dem Thema beschäftigen muss. Besonders Jugendliche, deren Familien finanziell benachteiligt sind, wird eine vermeintliche Aufstiegsschance versprochen. Dass sie hierbei potenziell mit ihrem Leben bezahlen müssen oder eben mit dem anderer, wird oft nur unzureichend aufgegriffen.
Auch diese Debatte zeigt deutlich, dass geopolitische und finanzielle Interessen über die junger Menschen gestellt werden. Gleichzeitig sollen genau diese die Pläne der Bundesregierung ausführen und dabei ihr Leben riskieren.
Wer heute von einem Generationenvertrag spricht, muss diesen auf Augenhöhe
gemeinsam mit jungen Menschen aushandeln und gestalten. Nur so kann eine
demokratische Legitimation und damit Akzeptanz in der Gesamtheit der Bevölkerung
entstehen, die den Herausforderungen des demografischen Wandels, zunehmender
Armut und sozialer Ungleichheit sowie ökologischer Krisen gerecht wird und den
Weg zu einer solidarischen, nachhaltigen und zukunftsfähigen Gesellschaft ebnet.
Der wahre Konflikt ist ein Macht- und Verteilungskonflikt
Der traditionelle Gedanke eines Generationenvertrags, wie er etwa in der
Rentenversicherung angestrebt wird, beruht auf einem weitgehend solidarischen
Umlageverfahren: Die heute Erwerbstätigen finanzieren die Renten der älteren
Generation und erwerben gleichzeitig selbst Ansprüche für die Zukunft. Dieses
System steht angesichts des demografischen Wandels vor großen Herausforderungen,
wird jedoch oft verkürzt als „nicht generationengerecht“ kritisiert. Dabei wird
häufig ein vermeintlicher Konflikt zwischen den Generationen konstruiert – die
Älteren gegen die Jüngeren.
Diese Sichtweise greift jedoch zu kurz. Gesellschaftliche Konfliktlinien
verlaufen nicht primär zwischen Altersgruppen, sondern entlang tief verwurzelter
sozialer Ungleichheiten und ökonomischer Machtverhältnisse. Strukturelle
Benachteiligungen wie Armut, eine extreme Ungleichverteilung von Vermögen,
prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse sowie systematische
Ausbeutungsverhältnisse prägen den Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen und
schränken Teilhabemöglichkeiten erheblich ein. Soziale Ungleichheiten sind tief
verankert in sich überlagernden Herrschaftsverhältnissen wie Patriarchat,
Rassismus, Klassismus, Adultismus oder Ableismus. Eine gerechte
gesellschaftliche Gestaltung kann deshalb nicht an einer vermeintlichen
Gegnerschaft zwischen Jung und Alt ansetzen. Sie erfordert vielmehr eine
konsequente Umverteilung von Ressourcen und Macht – insbesondere durch
tiefgreifende Veränderungen in Eigentums- und Vermögensverhältnissen[7],
Arbeitsbedingungen[8],dem Zugang zu Bildung[9], Wohnraum[10],
Gesundheitsversorgung[11] sowie der demokratischen Gestaltung ökologischer
Transformationsprozesse[12].
Von Generationengerechtigkeit zu intergenerationeller Solidarität
Im Unterschied zum häufig normativ und eng gefassten Begriff der
„Generationengerechtigkeit“, der sich vor allem auf Fragen der Verteilung von
Ressourcen und Lasten zwischen Generationen konzentriert, plädiert der
Bundesjugendring für einen umfassenderen und verbindenderen Begriff:
intergenerationelle Solidarität.
Gerechtigkeit in diesem Kontext wird zumeist als Verpflichtung gegenüber anderen
verstanden – sie folgt einem Prinzip von Ausgleich und Verantwortung, das häufig
in rechtlich-institutionellen Kategorien gedacht wird. Generationengerechtigkeit
operiert dabei vielfach mit dem Bild einer Waage: Was die heutige Generation
verbraucht, muss zukünftigen Generationen in gleicher Weise zur Verfügung
stehen.
Solidarität hingegen geht weiter: Sie ist nicht bloß Ausgleich, sondern ein
aktives soziales Verhältnis. Intergenerationelle Solidarität meint die bewusste
Entscheidung für ein wechselseitiges Miteinander der Generationen, das auf
gegenseitigem Respekt, Anerkennung und aktiver Teilhabe beruht. Solidarität ist
kein bloßer moralischer Imperativ, sondern ein politischer Gestaltungsanspruch:
Sie verlangt Strukturen, die ermöglichen, dass sich unterschiedliche
Generationen gegenseitig zuhören, voneinander lernen, sich unterstützen und
gemeinsame Entscheidungen treffen und gemeinsam gesellschaftliche Verantwortung
übernehmen.
Solidarität ist ihrem Wesen nach inklusiv. Sie richtet sich nicht nur an die
abstrakten Kategorien „jung“ oder „alt“, sondern bezieht die gesamte
gesellschaftliche Vielfalt mit ein. Das bedeutet, dass Solidarität auch
migrationsgesellschaftlich gedacht werden muss. Menschen mit
Migrationsgeschichte sind Teil jeder Generation und übernehmen Verantwortung in
allen Bereichen des Gemeinwesens. Eine solidarische Haltung erkennt ihre
Beiträge ausdrücklich an, stellt gemeinsame Verantwortung über rassistische
Abwertungen und verweigert sich Spaltungsnarrativen, die Zugehörigkeit infrage
stellen. Intergenerationelle Solidarität heißt daher nicht nur, Verantwortung
zwischen Generationen zu teilen, sondern auch sicherzustellen, dass innerhalb
der Generationen niemand durch rassistische Diskriminierung oder andere Formen
struktureller Abwertung delegitimiert oder ausgeschlossen wird.
Solidarität heißt: Gemeinsam Verantwortung übernehmen
Während Gerechtigkeit häufig im Rückblick auf erlittenes Unrecht oder mit Blick
auf zukünftige Verpflichtungen diskutiert wird – etwa in Fragen wie „Wer hat was
verloren?“ oder „Was müssen wir kommenden Generationen bewahren?“ – richtet sich
Solidarität auf das gemeinsame Handeln in der Gegenwart. Sie ist dialogisch
angelegt, weil sie die Vielfalt unterschiedlicher Lebensrealitäten und
Erfahrungen anerkennt, ohne diese in Konkurrenz zueinander zu setzen.
Solidarität sucht nicht den Ausgleich im Sinne von Abwägen und Aufrechnen,
sondern beruht auf wechselseitigem Zuhören, Anerkennung und dem Willen zur
Zusammenarbeit im Hier und Jetzt.
Der Bundesjugendring befürwortet daher eine Perspektive, die das Verbindende vor
das Trennende stellt. Intergenerationelle Solidarität ist Ausdruck einer
demokratischen und solidarischen Gesellschaft, in der Generationen sich nicht
als Anspruchsgruppen gegenüberstehen, sondern als Mitgestaltende eines
gemeinsamen Jetzt und Morgen handeln.
Diese solidarische Haltung beinhaltet mehrere zentrale Dimensionen:
- Verantwortung und Fürsorge über Altersgrenzen hinweg: Eine solidarische
Gesellschaft trägt Verantwortung für alle Altersgruppen und gestaltet
soziale Sicherheit als gemeinschaftliche Aufgabe – nicht als Frage von
Gegensätzen zwischen Jung und Alt, sondern im Sinne wechselseitiger
Fürsorge und Verantwortung.
- Gemeinsame Gestaltung von Zukunft: Solidarität verpflichtet dazu, junge
Menschen nicht als bloße Empfänger zukünftiger Leistungen zu betrachten,
sondern als aktive Mitgestalter*innen politischer und sozialer Prozesse
einzubinden. Nur so kann Demokratie zukunftsfähig sein.
- Integration sozialer und ökologischer Gerechtigkeit: Solidarität verbindet
soziale Teilhabe und ökologische Nachhaltigkeit. Sie fordert eine Politik,
die soziale Ungleichheiten abbaut und gleichzeitig die ökologischen
Grundlagen für ein gutes Leben für alle bewahrt- heute und in Zukunft.
- Überwindung von Spaltungsnarrativen: Intergenerationelle Solidarität
richtet sich gegen einseitige Konfliktzuschreibungen zwischen „Jung“ und
„Alt“. Stattdessen macht sie deutlich, dass soziale Ungleichheit und
Machtverhältnisse, nicht das Alter, die Hauptursachen gesellschaftlicher
Konflikte sind.
Intergenerationelle Solidarität fordert also ein solidarisches Miteinander, das
Generationen nicht als Gegensätze, sondern als Verbündete versteht. Sie ist ein
politisches Leitprinzip, das über bloße finanzielle Ausgleichsmechanismen
hinausgeht und eine inklusive, demokratische und nachhaltige
Gesellschaftsordnung ermöglicht.
Nur durch eine solche solidarische Haltung kann eine echte Zukunftsperspektive
entstehen, in der niemand zurückgelassen wird und alle Generationen ihre Chancen
auf ein gutes Leben verwirklichen können.
[1]https://www.dbjr.de/artikel/forderungen-fuer-eine-jugend-und-
generationengerechte-fiskalpolitik;
[2]https://www.dbjr.de/artikel/sozial-und-oekologisch-gerecht;
https://www.dbjr.de/artikel/junge-menschen-bewegen-eine-nachhaltige-
mobilitaetswende-fuer-alle
[3]https://www.dbjr.de/artikel/migrationspolitik-ist-jugendpolitik;
https://www.dbjr.de/artikel/leben-retten-seenotrettung-im-mittelmeer-
sicherstellen-und-solidarische-fluechtendenpolitik-endlich-umsetzen
[4]https://www.dbjr.de/artikel/rente-ist-jugendthema-die-gesetzliche-
rentenversicherung-solidarisch-weiterentwickeln
[5]https://www.dbjr.de/artikel/wahlalter-jetzt-senken
[6]https://www.dbjr.de/artikel/rente-ist-jugendthema-die-gesetzliche-
rentenversicherung-solidarisch-weiterentwickeln
[7]https://www.dbjr.de/artikel/klassismus-entgegenwirken-teilhabe-aller-jungen-
menschen-staerken
[8]https://www.dbjr.de/artikel/einfuehrung-einer-gesetzlichen-
mindestausbildungsverguetung; https://www.dbjr.de/artikel/ausbildung-besser-
machen
[9]https://www.dbjr.de/artikel/bildung-ist-zukunft
[10]https://www.dbjr.de/artikel/mehr-guenstigen-wohnraum-fuer-junge-menschen
[11]https://www.dbjr.de/artikel/mentale-gesundheit-junger-menschen-in-
krisenzeiten-staerken
[12]https://www.dbjr.de/artikel/sozial-und-oekologisch-gerecht
