Vielen Dank an die BUND-Jugend für die Ergänzung!
| Antrag: | Digitale Teilhabe gerecht gestalten – an, in und durch digitale Räume |
|---|---|
| Antragsteller*in: | BDKJ |
| Status: | Geprüft |
| Eingereicht: | 24.10.2025, 12:17 |
| Antrag: | Digitale Teilhabe gerecht gestalten – an, in und durch digitale Räume |
|---|---|
| Antragsteller*in: | BDKJ |
| Status: | Geprüft |
| Eingereicht: | 24.10.2025, 12:17 |
Die Digitalisierung prägt das Aufwachsen junger Menschen heute in allen
Lebensbereichen – von Bildung über Freizeit bis hin zu gesellschaftlicher und
politischer Teilhabe. Digitales und Analoges gehen in ihrer Lebenswelt wie
selbstverständlich ineinander über. Digitale Räume sind Orte des Lernens, der
Begegnung, der Selbstverwirklichung und der Mitbestimmung. Deshalb ist
Digitalpolitik immer auch Jugend- und Gesellschaftspolitik. Damit junge Menschen
die Chancen digitaler Räume selbstbestimmt und gleichberechtigt nutzen können,
muss ihre Teilhabe umfassend gewährleistet werden.[1]
Kinderrechte gelten auch digital
Als demokratische Jugendverbände treten wir für die konsequente Umsetzung der
Menschen- und Kinderrechte ein. Sie bilden das Fundament einer freien, gerechten
und solidarischen Gesellschaft. Um ihre Wirksamkeit zu stärken, fordern wir seit
langem, Kinderrechte ausdrücklich im Grundgesetz zu verankern.[2] Diese
Verankerung ist nicht nur ein rechtliches Signal, sondern auch ein
gesellschaftlicher Auftrag. Gemäß der UN-Kinderrechtskonvention – und ihrem
General Comment Nr. 25 – haben Kinder und Jugendliche das Recht, in allen
Lebensbereichen – analog wie digital – ernst genommen, geschützt und gestärkt zu
werden.[3]
Digitale Teilhabe global gerecht gestalten
Dabei gilt ein Grundprinzip: Menschenrechte sind universell. Digitale Teilhabe
darf nicht auf Kosten anderer Menschen oder Regionen – insbesondere im Globalen
Süden – realisiert werden. Sie muss auf globale Gerechtigkeit ausgerichtet
sein.[4]
Digitale Räume sind Teil demokratischer Teilhabe
Digitale Räume sind zentraler Teil der Alltags- und Lebensrealität. Wer junge
Menschen hier ausschließt oder benachteiligt, verwehrt ihnen Zugang zu zentralen
Bereichen unserer Demokratie. Damit digitale Räume ihrem demokratischen
Potential gerecht werden können, müssen sie für alle jungen Menschen offen,
sicher und barrierefrei gestaltet sein.
Digitale Teilhabe inklusiv und diskriminierungskritisch gestalten
Besonders junge Menschen, die mehrfach diskriminiert werden – etwa aufgrund von
Geschlecht, sexueller Orientierung, Herkunft, Behinderung oder sozialem Status –
erfahren im Digitalen zusätzliche Benachteiligungen. Digitale Teilhabe darf
jedoch niemals von Alter, Wohnort, finanziellen Ressourcen, kognitiven und
körperlichen Fähigkeiten oder anderen sozialen Merkmalen abhängen. Eine
intersektionale Perspektive ist notwendig, weil sich bestehende
gesellschaftliche Ungleichheiten im Digitalen nicht nur widerspiegeln, sondern
verstärken – und damit dem Ziel[5] einer inklusiven und selbstbestimmten
digitalen Gesellschaft, wie es auch der Koalitionsvertrag formuliert,
entgegenstehen.
Digitale Teilhabe braucht umfassende Rahmenbedingungen
Wir verstehen digitale Teilhabe als Möglichkeit, digitale Räume zu nutzen,
mitzugestalten und durch sie Zugang zu demokratischer Partizipation zu erhalten.
Kinder, Jugendliche und Erwachsene müssen sich souverän, selbstbestimmt und
sicher in analogen und digitalen Räumen bewegen, einbringen und weiterentwickeln
können. Damit dies Wirklichkeit wird, braucht es nicht nur technische und
materielle Voraussetzungen, sondern ebenso soziale, politische und rechtliche
Rahmenbedingungen. Politische Entscheidungen müssen daran gemessen werden, ob
sie einen solchen Rahmen schaffen und damit Teilhabegerechtigkeit für alle
jungen Menschen ermöglichen. Die Perspektiven junger Menschen in ihrer Vielfalt
– insbesondere derjenigen, die strukturell benachteiligt werden – müssen in
allen Politikfeldern sowie bei der Entwicklung und Umsetzung digitaler
Strategien systematisch berücksichtigt werden. Ihre Lebenswelten sind zentral
für eine Digitalpolitik, die demokratisch, gerecht und zukunftsfähig ist.
1. Zugang sichern –Teilhabe AN digitalen Räumen
Digitale Grundversorgung ist als zentrale Infrastrukturaufgabedes Staates zu
begreifen. Sie muss so ausgestaltet sein, dass alle jungen Menschen
gleichberechtigten Zugang erhalten. Fehlende Netzinfrastruktur oder
unzureichende Endgeräte verschärfen soziale Ungleichheiten und schließen
besonders bereits benachteiligte junge Menschen aus. Digitale Teilhabe ist
deshalb Teil einer gerechten Daseinsvorsorge und politisch verbindlich zu
sichern und auszubauen.
Daher fordern wir:
2. Gesellschaft mitgestalten – Teilhabe DURCH digitale Räume
Junge Menschen können digitale Technologien auf verschiedene Weise für
gesellschaftliche Teilhabe nutzen. Sie eröffnen den Zugang zu Informationen aus
der ganzen Welt und ermöglichen selbstbestimmten kulturellen Austausch, der
unabhängig von etablierten Institutionen und analogen Formaten gelingen kann. So
können Barrieren abgebaut und zugleich demokratische Resilienz gestärkt werden.
Digitale Angebote sind jedoch nicht immer zuverlässig, sondern teilweise
irreführend oder manipulativ. Besonders die Fähigkeit, seriöse von unseriösen
Informationen zu unterscheiden, ist stark vom Bildungsgrad abhängig.[12] Genau
hier entscheidet sich, ob digitale Räume ihr Potential für mehr
gesellschaftliche Teilhabe und eine widerstandsfähige Demokratie tatsächlich
entfalten können. Kompetenzen zur souveränen Nutzung digitaler Räume müssen
deshalb altersübergreifend gestärkt werden – von der Kindheit bis ins
Erwachsenenalter.
Daher fordern wir:
3. Räume gestalten – Teilhabe IN digitalen Räumen
Digitale Räume bieten wichtige Chancen für Austausch, Vernetzung und
demokratischen Diskurs. Sie erweitern die Möglichkeiten junger Menschen, ihre
Meinungen zu äußern, sichtbar zu machen und aktuelle Debatten mitzugestalten.
Gleichzeitig braucht es dafür sichere Rahmenbedingungen, weil sich nicht alle
jungen Menschen gleichermaßen sicher im digitalen Raum bewegen können. Hassrede
und intersektionale Diskriminierung führen dazu, dass Personen aus digitalen
Diskursräumen verdrängt werden. Insbesondere Mädchen, Frauen und andere
marginalisierte Gruppen werden so systematisch von demokratischer Teilhabe
ausgeschlossen. Für Täter*innen hat dies oft keinerlei Konsequenzen.[16]
Daher fordern wir:
[1] Bereits im Jahr 2009 hat sich der DBJR mit seinen Medienpolitisches Papier
zu den Belangen junger Menschen in digitalen Lebenswelten positioniert. Auf
Grundlage dieses Beschlusses befasst sich diese Positionierung tiefgehender mit
der digitalen Teilhabe von jungen Menschen. Unter digitaler Teilhabe verstehen
wir das Dabeisein, Mitmachen und Mitgestalten einer sich immer weiter
digitalisierenden Gesellschaft.
[2]DBJR (2021): Zur ausdrücklichen Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz:
https://www.dbjr.de/artikel/zum-regelungstext-zur-ausdruecklichen-verankerung-
der-kinderrechte-im-grundgesetz.
[3] Im 25. General Comment beschäftigt sich die UN - Kinderrechtskonvention mit
den digitalen Rechten von Kindern und Jugendlichen. Dieser greift die vier
Grundprinzipien der UN-Kinderrechtskonvention auf – nämlich (1)
Nichtdiskriminierung, (2) Vorrang des Kindeswohls, (3) Recht auf Leben,
Überleben und Entwicklung und (4) Berücksichtigung der Perspektive des Kindes –
und leitet daraus Forderungen für den digitalen Raum ab.
[4] Das Recht auf digitale Teilhabe führt – je nach Ausgangslage – zu
unterschiedlichen Anforderungen und Handlungsschritten. Diese Positionierung
konzentriert sich auf die Situation junger Menschen in Deutschland. Die
Umsetzung in Deutschland darf jedoch nicht dazu führen, dass in anderen Regionen
der Welt neue Ungerechtigkeiten entstehen oder bestehende verstärkt werden.
Vielmehr erfordert sie eine Auseinandersetzung mit globalen und kolonialen
Kontinuitäten, damit digitale Teilhabe als Teil einer weltweit gerechten
Entwicklung gestaltet werden kann.
[5] S. Koalitionsvertragzwischen CDU, CSU und SPD – 21. Legislaturperiode:
Verantwortung für Deutschland, Z.2224.
[6] Z. B. ist für die Teilnahme an digitalen Unterrichtsformaten bzw.
Videokonferenzen ein Handy mit kleinem Display nicht geeignet. Der Zugang zu
einem Tablet o. Ä. muss sichergestellt sein. Zudem muss es verschiedenen Kindern
in demselben Haushalt gleichzeitig möglich sein, an digitalen Bildungsangeboten
teilzunehmen oder in digitalen Räumen zu partizipieren.
[7] Im Jahr 2024 waren im Regelsatz für den Bereich „Nachrichtenübermittlung“,
unter den auch Telefon und Internet fällt, 44,88€ pro Monat vorgesehen. Für die
Anschaffung von Endgeräten für Schüler*innen kann allerdings nur unter engen
Voraussetzungen ein Mehrbedarf angemeldet und in Anspruch genommen werden (vgl.
https://www.buerger-geld.org/news/buergergeld-bezahlt-das-jobcenter-mein-
smartphone/).
[8] Der Zugang zu digitalen Diensten und Räumen ist häufig an scharfe
Altersgrenzen gekoppelt: Messenger-Dienste, soziale Netzwerke und Websites sind
oft erst ab einem Alter von 13 oder 16 Jahren legal zugänglich und Kinder
dadurch von der Teilhabe an diesen Räumen formal ausgeschlossen.
[9] Die Software soll in erster Linie an der Sicherheit der Nutzer*innen
ausgerichtet sein. In der aktuellen Rechtslage ist es Unternehmen beispielsweise
nicht erlaubt, personenbezogene Daten von Kindern und Jugendlichen zu sammeln.
Die AGB- Regelungen, die die Nutzung der Dienste erst ab 13 bzw. 16 Jahren
erlauben, führen dazu, dass die Anbieter*innen problemlos personenbezogene Daten
für Werbezwecke sammeln können. Damit können sie höhere Profite generieren, weil
personalisierte Werbung höhere Einnahmen erzielt. Da Kinder und Jugendliche
formal von der Nutzung ausgeschlossen sind, müssen die Anbieter*innen die
höheren Schutzstandards nicht erfüllen. An dieser Stelle steht das
Profitinteresse in Konkurrenz zur Sicherheit der Nutzer*innen. Kinder und
Jugendliche formal auszuschließen, ist für die Unternehmen häufig attraktiver,
als die Plattformen konsequent sicher zu gestalten.
[10]Overblocking ist das übermäßige Blockieren von Inhalten im Netz, weil
bestimmte Inhalte blockiert werden sollen, dabei aber andere legale Inhalte
ebenfalls gesperrt werden.
[11]Freie Software ist Software, die die Freiheit und Gemeinschaft der
Nutzer*innen respektiert. Ganz allgemein bedeutet das, dass Nutzer*innen die
Freiheit haben Software auszuführen, zu kopieren, zu verbreiten, zu untersuchen,
zu ändern und zu verbessern (vgl. https://www.gnu.org/philosophy/free-
sw.de.html). Freie Software begünstigt digitale Teilhabegerechtigkeit, in dem
sie i.d.R. kostengünstiger ist als proprietäre Software, die meist einem
privatwirtschaftlichen Unternehmen gehört und nur von diesem eingesehen und
verändert werden kann. Durch die Quelloffenheit gibt es Transparenz darüber, was
mit verarbeiten Daten passiert und durch die Freiheit, den Code zu verändern,
gibt es, im Vergleich zur proprietären Software, leichter die Möglichkeit
Anpassungen umzusetzen. Dies ist vor allem von Vorteil bei dem Abbau von
(digitalen) Barrieren.
[12] S. hierzu die Studie zum „Digital-Skills-Gap" im Rahmen des D21-Digital-
Index von 2020/21: https://initiatived21.de/publikationen/digital-skills-gap.
[13] Veranstaltungsformate und Angebote in jugend(verband)lichen Kontexten
verändern sich stetig und finden zunehmend digital statt. Daher müssen
Förderprogramme wie beispielsweise der KJP auch entsprechend auf digitale
Maßnahmen ausgeweitet werden. Zudem wird Digitalität in den KJP-Richtlinien vor
allem als Herausforderung betrachtet, etwa im Zusammenhang mit dem Schutz in
digitalen Räumen. Dadurch fehlt eine Anerkennung von digitalen Räumen als
Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen, durch die Beteiligung und Teilhabe
ermöglicht werden kann.
[14] Vgl. General Comment 25, Art. 99. Diese Forderung wurde insbesondere von
Kindern und Jugendlichen selbst formuliert, vgl. Our Rights in a Digital World,
eine Zusammenfassung zahlreicher Befragungen und partizipativer Workshops, die
in der Erarbeitung des General Comment 25 durchgeführt worden sind:
https://5rightsfoundation.com/uploads/Our%20Rights%20in%20a%20Digital%20World.pd-
f.
[15] S. hierzu KJP-Richtlinien, 3bf.: https://www.verwaltungsvorschriften-im-
internet.de/BMFSFJ-505-20160929-SF-A001.htm.
[16]DBJR (2022): „Frauenhass im Netz ist real – Gewalt gegen Frauen endlich
beenden!“
[17] s. hierzu auch: DBJR (2022): Frauenhass im Netz ist real – Gewalt gegen
Frauen endlich beenden!: https://www.dbjr.de/fileadmin/Positionen/2022/2022-
DBJR-POSITION-vv-frauenhass-im-netz.pdf
[18]Digitale Gewalt umfasst dabei unterschiedliche Formen, beispielsweise auch
Hatespeech, Cyberstalking, Doxxing und bildbasierte Gewalt:
https://hateaid.org/digitale-gewalt.
[19]Cybergrooming bezeichnet den gezielten Versuch von Erwachsenen, im Internet
Kontakt zu Kindern und Jugendlichen aufzubauen, um sie sexuell auszubeuten oder
zu missbrauchen: https://hateaid.org/cybergrooming/#definition.
[20]Qualitätsstandards für Kinder- und Jugendbeteiligung:
https://standards.jugendbeteiligung.de/
Vielen Dank an die BUND-Jugend für die Ergänzung!