| Antrag: | Digitale Teilhabe gerecht gestalten – an, in und durch digitale Räume |
|---|---|
| Antragsteller*in: | SJD - Die Falken |
| Status: | Geprüft |
| Eingereicht: | 24.10.2025, 09:14 |
Ä11 zu A2: Digitale Teilhabe gerecht gestalten – an, in und durch digitale Räume
Antragstext
Von Zeile 226 bis 228 einfügen:
- Austausch – wie etwa über Sexualität, geschlechtliche Identität, Erfahrungen mit Diskriminierung, Behinderung oder psychische Gesundheit. Gerade in ländlichen Räumen können digitale Räume wichtige Begegnungsorte außerhalb
Von Zeile 230 bis 231 löschen:
- schützenswert, oft ist dafür die Möglichkeit zur anonymen Teilnahme entscheidend.
[Leerzeichen]
Die Digitalisierung prägt das Aufwachsen junger Menschen heute in allen
Lebensbereichen – von Bildung über Freizeit bis hin zu gesellschaftlicher und
politischer Teilhabe. Digitales und Analoges gehen in ihrer Lebenswelt wie
selbstverständlich ineinander über. Digitale Räume sind Orte des Lernens, der
Begegnung, der Selbstverwirklichung und der Mitbestimmung. Deshalb ist
Digitalpolitik immer auch Jugend- und Gesellschaftspolitik. Damit junge Menschen
die Chancen digitaler Räume selbstbestimmt und gleichberechtigt nutzen können,
muss ihre Teilhabe umfassend gewährleistet werden.[1]
Kinderrechte gelten auch digital
Als demokratische Jugendverbände treten wir für die konsequente Umsetzung der
Menschen- und Kinderrechte ein. Sie bilden das Fundament einer freien, gerechten
und solidarischen Gesellschaft. Um ihre Wirksamkeit zu stärken, fordern wir seit
langem, Kinderrechte ausdrücklich im Grundgesetz zu verankern.[2] Diese
Verankerung ist nicht nur ein rechtliches Signal, sondern auch ein
gesellschaftlicher Auftrag. Gemäß der UN-Kinderrechtskonvention – und ihrem
General Comment Nr. 25 – haben Kinder und Jugendliche das Recht, in allen
Lebensbereichen – analog wie digital – ernst genommen, geschützt und gestärkt zu
werden.[3]
Digitale Teilhabe global gerecht gestalten
Dabei gilt ein Grundprinzip: Menschenrechte sind universell. Digitale Teilhabe
darf nicht auf Kosten anderer Menschen oder Regionen – insbesondere im Globalen
Süden – realisiert werden. Sie muss auf globale Gerechtigkeit ausgerichtet
sein.[4]
Digitale Räume sind Teil demokratischer Teilhabe
Digitale Räume sind zentraler Teil der Alltags- und Lebensrealität. Wer junge
Menschen hier ausschließt oder benachteiligt, verwehrt ihnen Zugang zu zentralen
Bereichen unserer Demokratie. Damit digitale Räume ihrem demokratischen
Potential gerecht werden können, müssen sie für alle jungen Menschen offen,
sicher und barrierefrei gestaltet sein.
Digitale Teilhabe inklusiv und diskriminierungskritisch gestalten
Besonders junge Menschen, die mehrfach diskriminiert werden – etwa aufgrund von
Geschlecht, sexueller Orientierung, Herkunft, Behinderung oder sozialem Status –
erfahren im Digitalen zusätzliche Benachteiligungen. Digitale Teilhabe darf
jedoch niemals von Alter, Wohnort, finanziellen Ressourcen, kognitiven und
körperlichen Fähigkeiten oder anderen sozialen Merkmalen abhängen. Eine
intersektionale Perspektive ist notwendig, weil sich bestehende
gesellschaftliche Ungleichheiten im Digitalen nicht nur widerspiegeln, sondern
verstärken – und damit dem Ziel[5] einer inklusiven und selbstbestimmten
digitalen Gesellschaft, wie es auch der Koalitionsvertrag formuliert,
entgegenstehen.
Digitale Teilhabe braucht umfassende Rahmenbedingungen
Wir verstehen digitale Teilhabe als Möglichkeit, digitale Räume zu nutzen,
mitzugestalten und durch sie Zugang zu demokratischer Partizipation zu erhalten.
Kinder, Jugendliche und Erwachsene müssen sich souverän, selbstbestimmt und
sicher in analogen und digitalen Räumen bewegen, einbringen und weiterentwickeln
können. Damit dies Wirklichkeit wird, braucht es nicht nur technische und
materielle Voraussetzungen, sondern ebenso soziale, politische und rechtliche
Rahmenbedingungen. Politische Entscheidungen müssen daran gemessen werden, ob
sie einen solchen Rahmen schaffen und damit Teilhabegerechtigkeit für alle
jungen Menschen ermöglichen. Die Perspektiven junger Menschen in ihrer Vielfalt
– insbesondere derjenigen, die strukturell benachteiligt werden – müssen in
allen Politikfeldern sowie bei der Entwicklung und Umsetzung digitaler
Strategien systematisch berücksichtigt werden. Ihre Lebenswelten sind zentral
für eine Digitalpolitik, die demokratisch, gerecht und zukunftsfähig ist.
1. Zugang sichern –Teilhabe AN digitalen Räumen
Digitale Grundversorgung ist als zentrale Infrastrukturaufgabedes Staates zu
begreifen. Sie muss so ausgestaltet sein, dass alle jungen Menschen
gleichberechtigten Zugang erhalten. Fehlende Netzinfrastruktur oder
unzureichende Endgeräte verschärfen soziale Ungleichheiten und schließen
besonders bereits benachteiligte junge Menschen aus. Digitale Teilhabe ist
deshalb Teil einer gerechten Daseinsvorsorge und politisch verbindlich zu
sichern und auszubauen.
Daher fordern wir:
- Junge Menschen müssen unabhängig von der finanziellen Situation ihrer
Eltern Zugang zu eigenen digitalen Endgeräten haben.- Diese Endgeräte müssen bedarfsgerecht ausgestattet sein: Für
schulisches und außerschulisches Lernen reicht ein Smartphone nicht
aus – es braucht Tablets oder Laptops. In einem Haushalt müssen
genügend Geräte vorhanden sein, dass auch mehrere Kinder und
Jugendliche diese gleichzeitig nutzen können.[6] - Öffentliche Förderungen und Zuschüsse sind auszuweiten: Dazu gehört,
digitale Endgeräte im Bildungspaket verbindlich vorzusehen,
Leihgeräte über den Digitalpakt 2.0 auch für außerschulische
Kontexte – etwa in der Jugendsozialarbeit – bereitzustellen sowie
einen koordinierten, netzübergreifenden und flächendeckenden
Breitbandausbau sicherzustellen. - Digitale Teilhabe muss in den Sozialleistungen– insbesondere im
Bürgergeld – angemessen berücksichtigt werden, einschließlich der
Kosten für einen leistungsfähigen Internetzugang und geeignete
Endgeräte.[7]
- Das berechtigte Anliegen, Kinder vor unangemessenen Inhalten zu schützen,
darf nicht dazu führen, dass sie pauschal von digitalen Räumen
ausgeschlossen werden.
- Scharfe Altersgrenzen[8] und verpflichtende Altersverifikation als
Zugangsbeschränkung greifen zu kurz. Sie schließen junge Menschen
von digitalen Räumen aus, sind weitgehend wirkungslos und
vernachlässigen das Gleichgewicht von Schutz- und Teilhaberechten
aus der UN-Kinderrechtskonvention: Kinder haben ein Recht auf
Schutz, aber ebenso auf digitale Teilhabe. Ein generelles Verbot von
sozialen Netzwerken für junge Menschen – wie in Australien – ist
daher der falsche Weg. - Stattdessen muss in digitalen Räumen der Grundsatz safety by
design[9] verbindlich gelten. Plattformbetreiber*innen müssen ihre
Dienste so gestalten, dass Schutzmaßnahmen integriert sind, ohne
Teilhabe unverhältnismäßig einzuschränken, und junge Menschen die
nötigen Kompetenzen für eine selbstbestimmte und mündige Nutzung
erwerben können. - Dazu gehören wirkungsvolle Jugendschutzfilter, die junge Menschen
vor unangemessen Inhalten schützen, ohne diese durch
Overblocking[10] von Teilhabe auszuschließen, sowie
niederschwellige, klare und transparente Melde- und Beschwerdewege.
Sicherheit und der Datenschutz junger Menschen müssen Vorrang vor
kommerziellen Interessen der Plattformen durch (personalisierte)
Werbung haben.
- Digitale Barrieren sind konsequent abzubauen, um Menschen mit Behinderung
eine gleichberechtigte Teilhabe an digitalen Räumen zu ermöglichen. Dazu
gehören
- eine verbindliche Einbindung von Menschen mit Behinderung als
Expert*innen in die Planung, Gestaltung und Bewertung digitaler
Räume - die gezielte Förderung und Weiterentwicklung digitaler
Assistenzsysteme, die Menschen mit Behinderung den Zugang
erleichtern, sowie die verpflichtende Nutzung von einfacher Sprache
in digitalen Angeboten und die regelmäßige Überprüfung und
Weiterentwicklung von Barrierefreiheitsstandards, damit digitale
Räume über gesetzliche Mindeststandards hinaus kontinuierlich
angepasst werden - die konsequente Umsetzung der Vorgaben des
Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes und des Onlinezugangsgesetzes zur
barrierefreien und inklusiven Ausgestaltung von Online-Verwaltung
und -Services.
- Freie Software[11]für den privaten Gebrauch muss stärker gefördert und
ihre Verbreitung politisch unterstützt werden.
- Es braucht eine gezielte Förderung des Bewusstseins für freie
Software – sowohl im privaten Bereich als auch in Institutionen, wie
Schulen oder Jugendverbänden. - Bestehende Projekte freier Software für die private Nutzung sind
staatlich zu unterstützen sowie neue Projekte gezielt zu fördern. - Software, die in staatlichem Auftrag mit öffentlichen Geldern
finanziert und entwickelt wird, sollte grundsätzlich als freie
Software öffentlich zugänglich gemacht werden.
2. Gesellschaft mitgestalten – Teilhabe DURCH digitale Räume
Junge Menschen können digitale Technologien auf verschiedene Weise für
gesellschaftliche Teilhabe nutzen. Sie eröffnen den Zugang zu Informationen aus
der ganzen Welt und ermöglichen selbstbestimmten kulturellen Austausch, der
unabhängig von etablierten Institutionen und analogen Formaten gelingen kann. So
können Barrieren abgebaut und zugleich demokratische Resilienz gestärkt werden.
Digitale Angebote sind jedoch nicht immer zuverlässig, sondern teilweise
irreführend oder manipulativ. Besonders die Fähigkeit, seriöse von unseriösen
Informationen zu unterscheiden, ist stark vom Bildungsgrad abhängig.[12] Genau
hier entscheidet sich, ob digitale Räume ihr Potential für mehr
gesellschaftliche Teilhabe und eine widerstandsfähige Demokratie tatsächlich
entfalten können. Kompetenzen zur souveränen Nutzung digitaler Räume müssen
deshalb altersübergreifend gestärkt werden – von der Kindheit bis ins
Erwachsenenalter.
Daher fordern wir:
- Einen klaren Haltungswechsel: Digitale Räume müssen als gleichwertige Orte
der Bildung, Kultur, Teilhabe und Begegnung anerkannt und entsprechend
gefördert werden – mit notwendiger Infrastruktur und entsprechenden
Weiterbildungsangeboten.
- Eine Anpassung der Förderrichtlinien: Im Kinder- und Jugendplan des Bundes
(KJP) und anderen Programmen sind digitale und hybride Formate
gleichberechtigt neben analogen Angeboten verbindlich zu
berücksichtigen.[13] Dabei ist digitale Barrierefreiheit als verbindlicher
Mindeststandard festzuschreiben. Förderprogramme zur digitalen Teilhabe
müssen benachteiligte junge Menschen erreichen, außerschulische
Bildungsräume stärken und partizipativ mit jungen Menschen entwickelt
werden.
- Der Zugang zu vertrauenswürdigen und altersgerecht aufbereiteten
Informationen muss für alle Altersgruppen sichergestellt und ausgebaut
werden.[14]- Dazu gehören die Vermittlung und Stärkung der Medienkompetenz als
besondere Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe[15] sowie die
zielgruppengerechte Gestaltung digitaler Angebote. - Verbindliche Qualitätsstandards und eine gezielte Förderung müssen
sicherstellen, dass diese Angebote leicht auffindbar, direkt
erkennbar und möglichst barrierearm nutzbar sind.
- Medienkompetenz umfassend und altersübergreifend fördern: Sie ist
Voraussetzung gelingender Teilhabe durch digitale Räume.- Akteur*innen der außerschulischen Bildung, wie pädagogische
Fachkräfte und ehrenamtliche Jugendleiter*innen müssen durch Fort-
und Weiterbildungsangebote qualifiziert werden, um junge Menschen
auf ihrem Weg zur digitalen Souveränität zu begleiten und zu
unterstützen. - Bestehende Angebote sind auszubauen und strukturell wie finanziell
stärker zu fördern – insbesondere in außerschulischen und
jugendverbandlichen Bildungsmaßnahmen zur Vermittlung von
Medienkompetenz. - Auch Erwachsene, Eltern und Fachkräfte anderer gesellschaftlicher
Bereiche müssen einbezogen werden, damit digitale Teilhabe
generationenübergreifend gelingt.
- Schulische Bildung muss jungen Menschen digitale Teilhabe ermöglichen und
die dafür notwendigen Kompetenzen vermitteln.
- Tragfähige, pädagogisch fundierte Konzepte sind zu entwickeln,
regelmäßig zu evaluieren und flächendeckend umzusetzen. - Schulen müssen dafür angemessen und verlässlich ausgestattet werden.
- Schwächen bisheriger Förderprogramme wie dem Digitalpakt Schule
(z.B. aufwändige und lange Antragsverfahren oder der Ausschluss von
Wartungskosten) sind zu beheben. - Lehr- und Bildungspläne sowie die Aus-, Fort- und Weiterbildung von
Lehrkräften sind kontinuierlich an die Anforderungen digitaler
Bildung anzupassen.
- Im Bildungskontext ist der Einsatz freier Software grundsätzlich zu
fördern.
- Falls dennoch proprietäre Software zum Einsatz kommt, darf dies
nicht zu einem Nachteil für junge Menschen führen. - Unabhängig von finanziellen Möglichkeiten sind Lizenzen für die
jeweilige Software für alle Lehrenden und Lernenden zur Verfügung zu
stellen.
3. Räume gestalten – Teilhabe IN digitalen Räumen
Digitale Räume bieten wichtige Chancen für Austausch, Vernetzung und
demokratischen Diskurs. Sie erweitern die Möglichkeiten junger Menschen, ihre
Meinungen zu äußern, sichtbar zu machen und aktuelle Debatten mitzugestalten.
Gleichzeitig braucht es dafür sichere Rahmenbedingungen, weil sich nicht alle
jungen Menschen gleichermaßen sicher im digitalen Raum bewegen können. Hassrede
und intersektionale Diskriminierung führen dazu, dass Personen aus digitalen
Diskursräumen verdrängt werden. Insbesondere Mädchen, Frauen und andere
marginalisierte Gruppen werden so systematisch von demokratischer Teilhabe
ausgeschlossen. Für Täter*innen hat dies oft keinerlei Konsequenzen.[16]
Daher fordern wir:
- Digitale Gewalt, Hasskriminalität und Beleidigungen in digitalen Räumen
müssen verfolgt und konsequent bestraft werden.[17]- Das Verbreiten entsprechender Inhalte darf für Täter*innen nicht
folgenlos bleiben.[18] - Für Betroffene digitaler Gewalt sind spezialisierte und dauerhaft
finanzierte Beratungsstellen und -angebote auszubauen –
einschließlich Rechtsberatung und psychosozialer Unterstützung.
Dabei braucht es speziell Angebote für Jugendliche und junge
Erwachsene, die von Hass im Netz oder Cybergrooming[19] besonders
betroffen sind. Bei der Konzeption soll die Expertise bestehender
zivilgesellschaftlicher Anlaufstellen genutzt werden. - Gleichzeitig braucht es wirksame Prävention: Digitale Räume sind so
zu gestalten, dass insbesondere Kinder und Jugendliche sich dort
sicher bewegen können.
- Junge Menschen brauchen geschützte digitale Räume zum vertraulichen
Austausch – wie etwa über Sexualität, geschlechtliche Identität,
Erfahrungen mit Diskriminierung, Behinderung oder psychische Gesundheit. Gerade in
ländlichen Räumen können digitale Räume wichtige Begegnungsorte außerhalb
des eigenen räumlichen Umfelds sein. Solche safer spaces sind
schützenswert, oft ist dafür die Möglichkeit zur anonymen Teilnahme
entscheidend.
- Daher lehnen wir eine generelle Klarnamenpflicht zur Nutzung
digitaler Dienste entschieden ab. - Auch über safer spaces hinaus müssen junge Menschen die Möglichkeit
haben, ihre Meinung – die wertvolle Beiträge zu Debatten und zur
Kultur in digitalen Räumen liefern kann – frei und anonym zu äußern.
Diese Freiheit darf weder durch Overblocking noch durch Zensur von
Plattformbetreibern eingeschränkt werden. - Darüber hinaus sind Whistleblower*innen und Aktivist*innen auf die
Möglichkeit der anonymen Kommunikation ohne staatliche Überwachung
angewiesen.
- Politische Beteiligungsmöglichkeiten durch digitale Technologien müssen
auf allen politischen Ebenen deutlich ausgebaut werden. - Nur weil Beteiligungsprozesse digital stattfinden, sind sie nicht
automatisch für junge Menschen zugänglich. Sie müssen barrierearm
gestaltet und zielgruppengerecht beworben werden, damit junge
Menschen von ihnen erfahren und teilnehmen können. - Formate sind inhaltlich und methodisch an den Lebensrealitäten
junger Menschen in ihrer Vielfalt auszurichten sein und den
Qualitätsstandards für Kinder- und Jugendbeteiligung[20]
entsprechen. - Für nachhaltige Wirkung ist eine verlässliche Finanzierung digitaler
Beteiligungsverbote unerlässlich. Nur so können digitale Formate
langfristig gesichert und weiterentwickelt werden.
- Digitale Beteiligungsformate brauchen verbindliche Strukturen und
Transparenz.- Dazu braucht es mehr digitale politische Beteiligungsformate, die
sich konkret an junge Menschen richten. Jugendverbände sind als
Interessensvertretung junger Menschen (SGB VIII § 12) systematisch
in die Entwicklung und Mitgestaltung solcher Formate einzubeziehen. - Eine sichere Finanzierung ist Voraussetzung, damit solche Formate
auch langfristig stattfinden können.
[1] Bereits im Jahr 2009 hat sich der DBJR mit seinen Medienpolitisches Papier
zu den Belangen junger Menschen in digitalen Lebenswelten positioniert. Auf
Grundlage dieses Beschlusses befasst sich diese Positionierung tiefgehender mit
der digitalen Teilhabe von jungen Menschen. Unter digitaler Teilhabe verstehen
wir das Dabeisein, Mitmachen und Mitgestalten einer sich immer weiter
digitalisierenden Gesellschaft.
[2]DBJR (2021): Zur ausdrücklichen Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz:
https://www.dbjr.de/artikel/zum-regelungstext-zur-ausdruecklichen-verankerung-
der-kinderrechte-im-grundgesetz.
[3] Im 25. General Comment beschäftigt sich die UN - Kinderrechtskonvention mit
den digitalen Rechten von Kindern und Jugendlichen. Dieser greift die vier
Grundprinzipien der UN-Kinderrechtskonvention auf – nämlich (1)
Nichtdiskriminierung, (2) Vorrang des Kindeswohls, (3) Recht auf Leben,
Überleben und Entwicklung und (4) Berücksichtigung der Perspektive des Kindes –
und leitet daraus Forderungen für den digitalen Raum ab.
[4] Das Recht auf digitale Teilhabe führt – je nach Ausgangslage – zu
unterschiedlichen Anforderungen und Handlungsschritten. Diese Positionierung
konzentriert sich auf die Situation junger Menschen in Deutschland. Die
Umsetzung in Deutschland darf jedoch nicht dazu führen, dass in anderen Regionen
der Welt neue Ungerechtigkeiten entstehen oder bestehende verstärkt werden.
Vielmehr erfordert sie eine Auseinandersetzung mit globalen und kolonialen
Kontinuitäten, damit digitale Teilhabe als Teil einer weltweit gerechten
Entwicklung gestaltet werden kann.
[5] S. Koalitionsvertragzwischen CDU, CSU und SPD – 21. Legislaturperiode:
Verantwortung für Deutschland, Z.2224.
[6] Z. B. ist für die Teilnahme an digitalen Unterrichtsformaten bzw.
Videokonferenzen ein Handy mit kleinem Display nicht geeignet. Der Zugang zu
einem Tablet o. Ä. muss sichergestellt sein. Zudem muss es verschiedenen Kindern
in demselben Haushalt gleichzeitig möglich sein, an digitalen Bildungsangeboten
teilzunehmen oder in digitalen Räumen zu partizipieren.
[7] Im Jahr 2024 waren im Regelsatz für den Bereich „Nachrichtenübermittlung“,
unter den auch Telefon und Internet fällt, 44,88€ pro Monat vorgesehen. Für die
Anschaffung von Endgeräten für Schüler*innen kann allerdings nur unter engen
Voraussetzungen ein Mehrbedarf angemeldet und in Anspruch genommen werden (vgl.
https://www.buerger-geld.org/news/buergergeld-bezahlt-das-jobcenter-mein-
smartphone/).
[8] Der Zugang zu digitalen Diensten und Räumen ist häufig an scharfe
Altersgrenzen gekoppelt: Messenger-Dienste, soziale Netzwerke und Websites sind
oft erst ab einem Alter von 13 oder 16 Jahren legal zugänglich und Kinder
dadurch von der Teilhabe an diesen Räumen formal ausgeschlossen.
[9] Die Software soll in erster Linie an der Sicherheit der Nutzer*innen
ausgerichtet sein. In der aktuellen Rechtslage ist es Unternehmen beispielsweise
nicht erlaubt, personenbezogene Daten von Kindern und Jugendlichen zu sammeln.
Die AGB- Regelungen, die die Nutzung der Dienste erst ab 13 bzw. 16 Jahren
erlauben, führen dazu, dass die Anbieter*innen problemlos personenbezogene Daten
für Werbezwecke sammeln können. Damit können sie höhere Profite generieren, weil
personalisierte Werbung höhere Einnahmen erzielt. Da Kinder und Jugendliche
formal von der Nutzung ausgeschlossen sind, müssen die Anbieter*innen die
höheren Schutzstandards nicht erfüllen. An dieser Stelle steht das
Profitinteresse in Konkurrenz zur Sicherheit der Nutzer*innen. Kinder und
Jugendliche formal auszuschließen, ist für die Unternehmen häufig attraktiver,
als die Plattformen konsequent sicher zu gestalten.
[10]Overblocking ist das übermäßige Blockieren von Inhalten im Netz, weil
bestimmte Inhalte blockiert werden sollen, dabei aber andere legale Inhalte
ebenfalls gesperrt werden.
[11]Freie Software ist Software, die die Freiheit und Gemeinschaft der
Nutzer*innen respektiert. Ganz allgemein bedeutet das, dass Nutzer*innen die
Freiheit haben Software auszuführen, zu kopieren, zu verbreiten, zu untersuchen,
zu ändern und zu verbessern (vgl. https://www.gnu.org/philosophy/free-
sw.de.html). Freie Software begünstigt digitale Teilhabegerechtigkeit, in dem
sie i.d.R. kostengünstiger ist als proprietäre Software, die meist einem
privatwirtschaftlichen Unternehmen gehört und nur von diesem eingesehen und
verändert werden kann. Durch die Quelloffenheit gibt es Transparenz darüber, was
mit verarbeiten Daten passiert und durch die Freiheit, den Code zu verändern,
gibt es, im Vergleich zur proprietären Software, leichter die Möglichkeit
Anpassungen umzusetzen. Dies ist vor allem von Vorteil bei dem Abbau von
(digitalen) Barrieren.
[12] S. hierzu die Studie zum „Digital-Skills-Gap" im Rahmen des D21-Digital-
Index von 2020/21: https://initiatived21.de/publikationen/digital-skills-gap.
[13] Veranstaltungsformate und Angebote in jugend(verband)lichen Kontexten
verändern sich stetig und finden zunehmend digital statt. Daher müssen
Förderprogramme wie beispielsweise der KJP auch entsprechend auf digitale
Maßnahmen ausgeweitet werden. Zudem wird Digitalität in den KJP-Richtlinien vor
allem als Herausforderung betrachtet, etwa im Zusammenhang mit dem Schutz in
digitalen Räumen. Dadurch fehlt eine Anerkennung von digitalen Räumen als
Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen, durch die Beteiligung und Teilhabe
ermöglicht werden kann.
[14] Vgl. General Comment 25, Art. 99. Diese Forderung wurde insbesondere von
Kindern und Jugendlichen selbst formuliert, vgl. Our Rights in a Digital World,
eine Zusammenfassung zahlreicher Befragungen und partizipativer Workshops, die
in der Erarbeitung des General Comment 25 durchgeführt worden sind:
https://5rightsfoundation.com/uploads/Our%20Rights%20in%20a%20Digital%20World.pd-
f.
[15] S. hierzu KJP-Richtlinien, 3bf.: https://www.verwaltungsvorschriften-im-
internet.de/BMFSFJ-505-20160929-SF-A001.htm.
[16]DBJR (2022): „Frauenhass im Netz ist real – Gewalt gegen Frauen endlich
beenden!“
[17] s. hierzu auch: DBJR (2022): Frauenhass im Netz ist real – Gewalt gegen
Frauen endlich beenden!: https://www.dbjr.de/fileadmin/Positionen/2022/2022-
DBJR-POSITION-vv-frauenhass-im-netz.pdf
[18]Digitale Gewalt umfasst dabei unterschiedliche Formen, beispielsweise auch
Hatespeech, Cyberstalking, Doxxing und bildbasierte Gewalt:
https://hateaid.org/digitale-gewalt.
[19]Cybergrooming bezeichnet den gezielten Versuch von Erwachsenen, im Internet
Kontakt zu Kindern und Jugendlichen aufzubauen, um sie sexuell auszubeuten oder
zu missbrauchen: https://hateaid.org/cybergrooming/#definition.
[20]Qualitätsstandards für Kinder- und Jugendbeteiligung:
https://standards.jugendbeteiligung.de/
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- Austausch – wie etwa über Sexualität, geschlechtliche Identität, Erfahrungen mit Diskriminierung, Behinderung oder psychische Gesundheit. Gerade in ländlichen Räumen können digitale Räume wichtige Begegnungsorte außerhalb
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- schützenswert, oft ist dafür die Möglichkeit zur anonymen Teilnahme entscheidend.
[Leerzeichen]
Die Digitalisierung prägt das Aufwachsen junger Menschen heute in allen
Lebensbereichen – von Bildung über Freizeit bis hin zu gesellschaftlicher und
politischer Teilhabe. Digitales und Analoges gehen in ihrer Lebenswelt wie
selbstverständlich ineinander über. Digitale Räume sind Orte des Lernens, der
Begegnung, der Selbstverwirklichung und der Mitbestimmung. Deshalb ist
Digitalpolitik immer auch Jugend- und Gesellschaftspolitik. Damit junge Menschen
die Chancen digitaler Räume selbstbestimmt und gleichberechtigt nutzen können,
muss ihre Teilhabe umfassend gewährleistet werden.[1]
Kinderrechte gelten auch digital
Als demokratische Jugendverbände treten wir für die konsequente Umsetzung der
Menschen- und Kinderrechte ein. Sie bilden das Fundament einer freien, gerechten
und solidarischen Gesellschaft. Um ihre Wirksamkeit zu stärken, fordern wir seit
langem, Kinderrechte ausdrücklich im Grundgesetz zu verankern.[2] Diese
Verankerung ist nicht nur ein rechtliches Signal, sondern auch ein
gesellschaftlicher Auftrag. Gemäß der UN-Kinderrechtskonvention – und ihrem
General Comment Nr. 25 – haben Kinder und Jugendliche das Recht, in allen
Lebensbereichen – analog wie digital – ernst genommen, geschützt und gestärkt zu
werden.[3]
Digitale Teilhabe global gerecht gestalten
Dabei gilt ein Grundprinzip: Menschenrechte sind universell. Digitale Teilhabe
darf nicht auf Kosten anderer Menschen oder Regionen – insbesondere im Globalen
Süden – realisiert werden. Sie muss auf globale Gerechtigkeit ausgerichtet
sein.[4]
Digitale Räume sind Teil demokratischer Teilhabe
Digitale Räume sind zentraler Teil der Alltags- und Lebensrealität. Wer junge
Menschen hier ausschließt oder benachteiligt, verwehrt ihnen Zugang zu zentralen
Bereichen unserer Demokratie. Damit digitale Räume ihrem demokratischen
Potential gerecht werden können, müssen sie für alle jungen Menschen offen,
sicher und barrierefrei gestaltet sein.
Digitale Teilhabe inklusiv und diskriminierungskritisch gestalten
Besonders junge Menschen, die mehrfach diskriminiert werden – etwa aufgrund von
Geschlecht, sexueller Orientierung, Herkunft, Behinderung oder sozialem Status –
erfahren im Digitalen zusätzliche Benachteiligungen. Digitale Teilhabe darf
jedoch niemals von Alter, Wohnort, finanziellen Ressourcen, kognitiven und
körperlichen Fähigkeiten oder anderen sozialen Merkmalen abhängen. Eine
intersektionale Perspektive ist notwendig, weil sich bestehende
gesellschaftliche Ungleichheiten im Digitalen nicht nur widerspiegeln, sondern
verstärken – und damit dem Ziel[5] einer inklusiven und selbstbestimmten
digitalen Gesellschaft, wie es auch der Koalitionsvertrag formuliert,
entgegenstehen.
Digitale Teilhabe braucht umfassende Rahmenbedingungen
Wir verstehen digitale Teilhabe als Möglichkeit, digitale Räume zu nutzen,
mitzugestalten und durch sie Zugang zu demokratischer Partizipation zu erhalten.
Kinder, Jugendliche und Erwachsene müssen sich souverän, selbstbestimmt und
sicher in analogen und digitalen Räumen bewegen, einbringen und weiterentwickeln
können. Damit dies Wirklichkeit wird, braucht es nicht nur technische und
materielle Voraussetzungen, sondern ebenso soziale, politische und rechtliche
Rahmenbedingungen. Politische Entscheidungen müssen daran gemessen werden, ob
sie einen solchen Rahmen schaffen und damit Teilhabegerechtigkeit für alle
jungen Menschen ermöglichen. Die Perspektiven junger Menschen in ihrer Vielfalt
– insbesondere derjenigen, die strukturell benachteiligt werden – müssen in
allen Politikfeldern sowie bei der Entwicklung und Umsetzung digitaler
Strategien systematisch berücksichtigt werden. Ihre Lebenswelten sind zentral
für eine Digitalpolitik, die demokratisch, gerecht und zukunftsfähig ist.
1. Zugang sichern –Teilhabe AN digitalen Räumen
Digitale Grundversorgung ist als zentrale Infrastrukturaufgabedes Staates zu
begreifen. Sie muss so ausgestaltet sein, dass alle jungen Menschen
gleichberechtigten Zugang erhalten. Fehlende Netzinfrastruktur oder
unzureichende Endgeräte verschärfen soziale Ungleichheiten und schließen
besonders bereits benachteiligte junge Menschen aus. Digitale Teilhabe ist
deshalb Teil einer gerechten Daseinsvorsorge und politisch verbindlich zu
sichern und auszubauen.
Daher fordern wir:
- Junge Menschen müssen unabhängig von der finanziellen Situation ihrer
Eltern Zugang zu eigenen digitalen Endgeräten haben.- Diese Endgeräte müssen bedarfsgerecht ausgestattet sein: Für
schulisches und außerschulisches Lernen reicht ein Smartphone nicht
aus – es braucht Tablets oder Laptops. In einem Haushalt müssen
genügend Geräte vorhanden sein, dass auch mehrere Kinder und
Jugendliche diese gleichzeitig nutzen können.[6] - Öffentliche Förderungen und Zuschüsse sind auszuweiten: Dazu gehört,
digitale Endgeräte im Bildungspaket verbindlich vorzusehen,
Leihgeräte über den Digitalpakt 2.0 auch für außerschulische
Kontexte – etwa in der Jugendsozialarbeit – bereitzustellen sowie
einen koordinierten, netzübergreifenden und flächendeckenden
Breitbandausbau sicherzustellen. - Digitale Teilhabe muss in den Sozialleistungen– insbesondere im
Bürgergeld – angemessen berücksichtigt werden, einschließlich der
Kosten für einen leistungsfähigen Internetzugang und geeignete
Endgeräte.[7]
- Diese Endgeräte müssen bedarfsgerecht ausgestattet sein: Für
- Das berechtigte Anliegen, Kinder vor unangemessenen Inhalten zu schützen,
darf nicht dazu führen, dass sie pauschal von digitalen Räumen
ausgeschlossen werden.- Scharfe Altersgrenzen[8] und verpflichtende Altersverifikation als
Zugangsbeschränkung greifen zu kurz. Sie schließen junge Menschen
von digitalen Räumen aus, sind weitgehend wirkungslos und
vernachlässigen das Gleichgewicht von Schutz- und Teilhaberechten
aus der UN-Kinderrechtskonvention: Kinder haben ein Recht auf
Schutz, aber ebenso auf digitale Teilhabe. Ein generelles Verbot von
sozialen Netzwerken für junge Menschen – wie in Australien – ist
daher der falsche Weg. - Stattdessen muss in digitalen Räumen der Grundsatz safety by
design[9] verbindlich gelten. Plattformbetreiber*innen müssen ihre
Dienste so gestalten, dass Schutzmaßnahmen integriert sind, ohne
Teilhabe unverhältnismäßig einzuschränken, und junge Menschen die
nötigen Kompetenzen für eine selbstbestimmte und mündige Nutzung
erwerben können. - Dazu gehören wirkungsvolle Jugendschutzfilter, die junge Menschen
vor unangemessen Inhalten schützen, ohne diese durch
Overblocking[10] von Teilhabe auszuschließen, sowie
niederschwellige, klare und transparente Melde- und Beschwerdewege.
Sicherheit und der Datenschutz junger Menschen müssen Vorrang vor
kommerziellen Interessen der Plattformen durch (personalisierte)
Werbung haben.
- Scharfe Altersgrenzen[8] und verpflichtende Altersverifikation als
- Digitale Barrieren sind konsequent abzubauen, um Menschen mit Behinderung
eine gleichberechtigte Teilhabe an digitalen Räumen zu ermöglichen. Dazu
gehören- eine verbindliche Einbindung von Menschen mit Behinderung als
Expert*innen in die Planung, Gestaltung und Bewertung digitaler
Räume - die gezielte Förderung und Weiterentwicklung digitaler
Assistenzsysteme, die Menschen mit Behinderung den Zugang
erleichtern, sowie die verpflichtende Nutzung von einfacher Sprache
in digitalen Angeboten und die regelmäßige Überprüfung und
Weiterentwicklung von Barrierefreiheitsstandards, damit digitale
Räume über gesetzliche Mindeststandards hinaus kontinuierlich
angepasst werden - die konsequente Umsetzung der Vorgaben des
Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes und des Onlinezugangsgesetzes zur
barrierefreien und inklusiven Ausgestaltung von Online-Verwaltung
und -Services.
- eine verbindliche Einbindung von Menschen mit Behinderung als
- Freie Software[11]für den privaten Gebrauch muss stärker gefördert und
ihre Verbreitung politisch unterstützt werden.- Es braucht eine gezielte Förderung des Bewusstseins für freie
Software – sowohl im privaten Bereich als auch in Institutionen, wie
Schulen oder Jugendverbänden. - Bestehende Projekte freier Software für die private Nutzung sind
staatlich zu unterstützen sowie neue Projekte gezielt zu fördern. - Software, die in staatlichem Auftrag mit öffentlichen Geldern
finanziert und entwickelt wird, sollte grundsätzlich als freie
Software öffentlich zugänglich gemacht werden.
- Es braucht eine gezielte Förderung des Bewusstseins für freie
2. Gesellschaft mitgestalten – Teilhabe DURCH digitale Räume
Junge Menschen können digitale Technologien auf verschiedene Weise für
gesellschaftliche Teilhabe nutzen. Sie eröffnen den Zugang zu Informationen aus
der ganzen Welt und ermöglichen selbstbestimmten kulturellen Austausch, der
unabhängig von etablierten Institutionen und analogen Formaten gelingen kann. So
können Barrieren abgebaut und zugleich demokratische Resilienz gestärkt werden.
Digitale Angebote sind jedoch nicht immer zuverlässig, sondern teilweise
irreführend oder manipulativ. Besonders die Fähigkeit, seriöse von unseriösen
Informationen zu unterscheiden, ist stark vom Bildungsgrad abhängig.[12] Genau
hier entscheidet sich, ob digitale Räume ihr Potential für mehr
gesellschaftliche Teilhabe und eine widerstandsfähige Demokratie tatsächlich
entfalten können. Kompetenzen zur souveränen Nutzung digitaler Räume müssen
deshalb altersübergreifend gestärkt werden – von der Kindheit bis ins
Erwachsenenalter.
Daher fordern wir:
- Einen klaren Haltungswechsel: Digitale Räume müssen als gleichwertige Orte
der Bildung, Kultur, Teilhabe und Begegnung anerkannt und entsprechend
gefördert werden – mit notwendiger Infrastruktur und entsprechenden
Weiterbildungsangeboten.
- Eine Anpassung der Förderrichtlinien: Im Kinder- und Jugendplan des Bundes
(KJP) und anderen Programmen sind digitale und hybride Formate
gleichberechtigt neben analogen Angeboten verbindlich zu
berücksichtigen.[13] Dabei ist digitale Barrierefreiheit als verbindlicher
Mindeststandard festzuschreiben. Förderprogramme zur digitalen Teilhabe
müssen benachteiligte junge Menschen erreichen, außerschulische
Bildungsräume stärken und partizipativ mit jungen Menschen entwickelt
werden.
- Der Zugang zu vertrauenswürdigen und altersgerecht aufbereiteten
Informationen muss für alle Altersgruppen sichergestellt und ausgebaut
werden.[14]- Dazu gehören die Vermittlung und Stärkung der Medienkompetenz als
besondere Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe[15] sowie die
zielgruppengerechte Gestaltung digitaler Angebote. - Verbindliche Qualitätsstandards und eine gezielte Förderung müssen
sicherstellen, dass diese Angebote leicht auffindbar, direkt
erkennbar und möglichst barrierearm nutzbar sind.
- Dazu gehören die Vermittlung und Stärkung der Medienkompetenz als
- Medienkompetenz umfassend und altersübergreifend fördern: Sie ist
Voraussetzung gelingender Teilhabe durch digitale Räume.- Akteur*innen der außerschulischen Bildung, wie pädagogische
Fachkräfte und ehrenamtliche Jugendleiter*innen müssen durch Fort-
und Weiterbildungsangebote qualifiziert werden, um junge Menschen
auf ihrem Weg zur digitalen Souveränität zu begleiten und zu
unterstützen. - Bestehende Angebote sind auszubauen und strukturell wie finanziell
stärker zu fördern – insbesondere in außerschulischen und
jugendverbandlichen Bildungsmaßnahmen zur Vermittlung von
Medienkompetenz. - Auch Erwachsene, Eltern und Fachkräfte anderer gesellschaftlicher
Bereiche müssen einbezogen werden, damit digitale Teilhabe
generationenübergreifend gelingt.
- Akteur*innen der außerschulischen Bildung, wie pädagogische
- Schulische Bildung muss jungen Menschen digitale Teilhabe ermöglichen und
die dafür notwendigen Kompetenzen vermitteln.- Tragfähige, pädagogisch fundierte Konzepte sind zu entwickeln,
regelmäßig zu evaluieren und flächendeckend umzusetzen. - Schulen müssen dafür angemessen und verlässlich ausgestattet werden.
- Schwächen bisheriger Förderprogramme wie dem Digitalpakt Schule
(z.B. aufwändige und lange Antragsverfahren oder der Ausschluss von
Wartungskosten) sind zu beheben. - Lehr- und Bildungspläne sowie die Aus-, Fort- und Weiterbildung von
Lehrkräften sind kontinuierlich an die Anforderungen digitaler
Bildung anzupassen.
- Tragfähige, pädagogisch fundierte Konzepte sind zu entwickeln,
- Im Bildungskontext ist der Einsatz freier Software grundsätzlich zu
fördern.- Falls dennoch proprietäre Software zum Einsatz kommt, darf dies
nicht zu einem Nachteil für junge Menschen führen. - Unabhängig von finanziellen Möglichkeiten sind Lizenzen für die
jeweilige Software für alle Lehrenden und Lernenden zur Verfügung zu
stellen.
- Falls dennoch proprietäre Software zum Einsatz kommt, darf dies
3. Räume gestalten – Teilhabe IN digitalen Räumen
Digitale Räume bieten wichtige Chancen für Austausch, Vernetzung und
demokratischen Diskurs. Sie erweitern die Möglichkeiten junger Menschen, ihre
Meinungen zu äußern, sichtbar zu machen und aktuelle Debatten mitzugestalten.
Gleichzeitig braucht es dafür sichere Rahmenbedingungen, weil sich nicht alle
jungen Menschen gleichermaßen sicher im digitalen Raum bewegen können. Hassrede
und intersektionale Diskriminierung führen dazu, dass Personen aus digitalen
Diskursräumen verdrängt werden. Insbesondere Mädchen, Frauen und andere
marginalisierte Gruppen werden so systematisch von demokratischer Teilhabe
ausgeschlossen. Für Täter*innen hat dies oft keinerlei Konsequenzen.[16]
Daher fordern wir:
- Digitale Gewalt, Hasskriminalität und Beleidigungen in digitalen Räumen
müssen verfolgt und konsequent bestraft werden.[17]- Das Verbreiten entsprechender Inhalte darf für Täter*innen nicht
folgenlos bleiben.[18] - Für Betroffene digitaler Gewalt sind spezialisierte und dauerhaft
finanzierte Beratungsstellen und -angebote auszubauen –
einschließlich Rechtsberatung und psychosozialer Unterstützung.
Dabei braucht es speziell Angebote für Jugendliche und junge
Erwachsene, die von Hass im Netz oder Cybergrooming[19] besonders
betroffen sind. Bei der Konzeption soll die Expertise bestehender
zivilgesellschaftlicher Anlaufstellen genutzt werden. - Gleichzeitig braucht es wirksame Prävention: Digitale Räume sind so
zu gestalten, dass insbesondere Kinder und Jugendliche sich dort
sicher bewegen können.
- Das Verbreiten entsprechender Inhalte darf für Täter*innen nicht
- Junge Menschen brauchen geschützte digitale Räume zum vertraulichen
Austausch – wie etwa über Sexualität, geschlechtliche Identität,
Erfahrungen mit Diskriminierung, Behinderung oder psychische Gesundheit. Gerade in
ländlichen Räumen können digitale Räume wichtige Begegnungsorte außerhalb
des eigenen räumlichen Umfelds sein. Solche safer spaces sind
schützenswert, oft ist dafür die Möglichkeit zur anonymen Teilnahme
entscheidend.- Daher lehnen wir eine generelle Klarnamenpflicht zur Nutzung
digitaler Dienste entschieden ab. - Auch über safer spaces hinaus müssen junge Menschen die Möglichkeit
haben, ihre Meinung – die wertvolle Beiträge zu Debatten und zur
Kultur in digitalen Räumen liefern kann – frei und anonym zu äußern.
Diese Freiheit darf weder durch Overblocking noch durch Zensur von
Plattformbetreibern eingeschränkt werden. - Darüber hinaus sind Whistleblower*innen und Aktivist*innen auf die
Möglichkeit der anonymen Kommunikation ohne staatliche Überwachung
angewiesen.
- Daher lehnen wir eine generelle Klarnamenpflicht zur Nutzung
- Politische Beteiligungsmöglichkeiten durch digitale Technologien müssen
auf allen politischen Ebenen deutlich ausgebaut werden.- Nur weil Beteiligungsprozesse digital stattfinden, sind sie nicht
automatisch für junge Menschen zugänglich. Sie müssen barrierearm
gestaltet und zielgruppengerecht beworben werden, damit junge
Menschen von ihnen erfahren und teilnehmen können. - Formate sind inhaltlich und methodisch an den Lebensrealitäten
junger Menschen in ihrer Vielfalt auszurichten sein und den
Qualitätsstandards für Kinder- und Jugendbeteiligung[20]
entsprechen. - Für nachhaltige Wirkung ist eine verlässliche Finanzierung digitaler
Beteiligungsverbote unerlässlich. Nur so können digitale Formate
langfristig gesichert und weiterentwickelt werden.
- Nur weil Beteiligungsprozesse digital stattfinden, sind sie nicht
- Digitale Beteiligungsformate brauchen verbindliche Strukturen und
Transparenz.- Dazu braucht es mehr digitale politische Beteiligungsformate, die
sich konkret an junge Menschen richten. Jugendverbände sind als
Interessensvertretung junger Menschen (SGB VIII § 12) systematisch
in die Entwicklung und Mitgestaltung solcher Formate einzubeziehen. - Eine sichere Finanzierung ist Voraussetzung, damit solche Formate
auch langfristig stattfinden können.
- Dazu braucht es mehr digitale politische Beteiligungsformate, die
[1] Bereits im Jahr 2009 hat sich der DBJR mit seinen Medienpolitisches Papier
zu den Belangen junger Menschen in digitalen Lebenswelten positioniert. Auf
Grundlage dieses Beschlusses befasst sich diese Positionierung tiefgehender mit
der digitalen Teilhabe von jungen Menschen. Unter digitaler Teilhabe verstehen
wir das Dabeisein, Mitmachen und Mitgestalten einer sich immer weiter
digitalisierenden Gesellschaft.
[2]DBJR (2021): Zur ausdrücklichen Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz:
https://www.dbjr.de/artikel/zum-regelungstext-zur-ausdruecklichen-verankerung-
der-kinderrechte-im-grundgesetz.
[3] Im 25. General Comment beschäftigt sich die UN - Kinderrechtskonvention mit
den digitalen Rechten von Kindern und Jugendlichen. Dieser greift die vier
Grundprinzipien der UN-Kinderrechtskonvention auf – nämlich (1)
Nichtdiskriminierung, (2) Vorrang des Kindeswohls, (3) Recht auf Leben,
Überleben und Entwicklung und (4) Berücksichtigung der Perspektive des Kindes –
und leitet daraus Forderungen für den digitalen Raum ab.
[4] Das Recht auf digitale Teilhabe führt – je nach Ausgangslage – zu
unterschiedlichen Anforderungen und Handlungsschritten. Diese Positionierung
konzentriert sich auf die Situation junger Menschen in Deutschland. Die
Umsetzung in Deutschland darf jedoch nicht dazu führen, dass in anderen Regionen
der Welt neue Ungerechtigkeiten entstehen oder bestehende verstärkt werden.
Vielmehr erfordert sie eine Auseinandersetzung mit globalen und kolonialen
Kontinuitäten, damit digitale Teilhabe als Teil einer weltweit gerechten
Entwicklung gestaltet werden kann.
[5] S. Koalitionsvertragzwischen CDU, CSU und SPD – 21. Legislaturperiode:
Verantwortung für Deutschland, Z.2224.
[6] Z. B. ist für die Teilnahme an digitalen Unterrichtsformaten bzw.
Videokonferenzen ein Handy mit kleinem Display nicht geeignet. Der Zugang zu
einem Tablet o. Ä. muss sichergestellt sein. Zudem muss es verschiedenen Kindern
in demselben Haushalt gleichzeitig möglich sein, an digitalen Bildungsangeboten
teilzunehmen oder in digitalen Räumen zu partizipieren.
[7] Im Jahr 2024 waren im Regelsatz für den Bereich „Nachrichtenübermittlung“,
unter den auch Telefon und Internet fällt, 44,88€ pro Monat vorgesehen. Für die
Anschaffung von Endgeräten für Schüler*innen kann allerdings nur unter engen
Voraussetzungen ein Mehrbedarf angemeldet und in Anspruch genommen werden (vgl.
https://www.buerger-geld.org/news/buergergeld-bezahlt-das-jobcenter-mein-
smartphone/).
[8] Der Zugang zu digitalen Diensten und Räumen ist häufig an scharfe
Altersgrenzen gekoppelt: Messenger-Dienste, soziale Netzwerke und Websites sind
oft erst ab einem Alter von 13 oder 16 Jahren legal zugänglich und Kinder
dadurch von der Teilhabe an diesen Räumen formal ausgeschlossen.
[9] Die Software soll in erster Linie an der Sicherheit der Nutzer*innen
ausgerichtet sein. In der aktuellen Rechtslage ist es Unternehmen beispielsweise
nicht erlaubt, personenbezogene Daten von Kindern und Jugendlichen zu sammeln.
Die AGB- Regelungen, die die Nutzung der Dienste erst ab 13 bzw. 16 Jahren
erlauben, führen dazu, dass die Anbieter*innen problemlos personenbezogene Daten
für Werbezwecke sammeln können. Damit können sie höhere Profite generieren, weil
personalisierte Werbung höhere Einnahmen erzielt. Da Kinder und Jugendliche
formal von der Nutzung ausgeschlossen sind, müssen die Anbieter*innen die
höheren Schutzstandards nicht erfüllen. An dieser Stelle steht das
Profitinteresse in Konkurrenz zur Sicherheit der Nutzer*innen. Kinder und
Jugendliche formal auszuschließen, ist für die Unternehmen häufig attraktiver,
als die Plattformen konsequent sicher zu gestalten.
[10]Overblocking ist das übermäßige Blockieren von Inhalten im Netz, weil
bestimmte Inhalte blockiert werden sollen, dabei aber andere legale Inhalte
ebenfalls gesperrt werden.
[11]Freie Software ist Software, die die Freiheit und Gemeinschaft der
Nutzer*innen respektiert. Ganz allgemein bedeutet das, dass Nutzer*innen die
Freiheit haben Software auszuführen, zu kopieren, zu verbreiten, zu untersuchen,
zu ändern und zu verbessern (vgl. https://www.gnu.org/philosophy/free-
sw.de.html). Freie Software begünstigt digitale Teilhabegerechtigkeit, in dem
sie i.d.R. kostengünstiger ist als proprietäre Software, die meist einem
privatwirtschaftlichen Unternehmen gehört und nur von diesem eingesehen und
verändert werden kann. Durch die Quelloffenheit gibt es Transparenz darüber, was
mit verarbeiten Daten passiert und durch die Freiheit, den Code zu verändern,
gibt es, im Vergleich zur proprietären Software, leichter die Möglichkeit
Anpassungen umzusetzen. Dies ist vor allem von Vorteil bei dem Abbau von
(digitalen) Barrieren.
[12] S. hierzu die Studie zum „Digital-Skills-Gap" im Rahmen des D21-Digital-
Index von 2020/21: https://initiatived21.de/publikationen/digital-skills-gap.
[13] Veranstaltungsformate und Angebote in jugend(verband)lichen Kontexten
verändern sich stetig und finden zunehmend digital statt. Daher müssen
Förderprogramme wie beispielsweise der KJP auch entsprechend auf digitale
Maßnahmen ausgeweitet werden. Zudem wird Digitalität in den KJP-Richtlinien vor
allem als Herausforderung betrachtet, etwa im Zusammenhang mit dem Schutz in
digitalen Räumen. Dadurch fehlt eine Anerkennung von digitalen Räumen als
Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen, durch die Beteiligung und Teilhabe
ermöglicht werden kann.
[14] Vgl. General Comment 25, Art. 99. Diese Forderung wurde insbesondere von
Kindern und Jugendlichen selbst formuliert, vgl. Our Rights in a Digital World,
eine Zusammenfassung zahlreicher Befragungen und partizipativer Workshops, die
in der Erarbeitung des General Comment 25 durchgeführt worden sind:
https://5rightsfoundation.com/uploads/Our%20Rights%20in%20a%20Digital%20World.pd-
f.
[15] S. hierzu KJP-Richtlinien, 3bf.: https://www.verwaltungsvorschriften-im-
internet.de/BMFSFJ-505-20160929-SF-A001.htm.
[16]DBJR (2022): „Frauenhass im Netz ist real – Gewalt gegen Frauen endlich
beenden!“
[17] s. hierzu auch: DBJR (2022): Frauenhass im Netz ist real – Gewalt gegen
Frauen endlich beenden!: https://www.dbjr.de/fileadmin/Positionen/2022/2022-
DBJR-POSITION-vv-frauenhass-im-netz.pdf
[18]Digitale Gewalt umfasst dabei unterschiedliche Formen, beispielsweise auch
Hatespeech, Cyberstalking, Doxxing und bildbasierte Gewalt:
https://hateaid.org/digitale-gewalt.
[19]Cybergrooming bezeichnet den gezielten Versuch von Erwachsenen, im Internet
Kontakt zu Kindern und Jugendlichen aufzubauen, um sie sexuell auszubeuten oder
zu missbrauchen: https://hateaid.org/cybergrooming/#definition.
[20]Qualitätsstandards für Kinder- und Jugendbeteiligung:
https://standards.jugendbeteiligung.de/
