| Status: | Beschluss |
|---|---|
| Beschluss durch: | 98. Vollversammlung |
| Beschlossen am: | 25.10.2025 |
| Antragshistorie: | Version 3 |
Sicherung und Weiterentwicklung des Ergänzenden Hilfesystems (EHS)
Beschlusstext
Der Deutsche Bundesjugendring (DBJR) fordert die Bundesregierung auf, das
Ergänzende Hilfesystem (EHS) und den Fonds Sexueller Missbrauch (FSM) über das
Jahr 2028 hinaus finanziell abzusichern und weiterzuentwickeln.
Das EHS hat sich als wichtiges Instrument erwiesen, um Betroffenen
sexualisierter Gewalt, die in Kindheit und Jugend erlitten wurde, Unterstützung
zu gewähren. Die Finanzierung von Sachleistungen, die durch gesetzliche
Leitungsträger nicht abgedeckt werden, schließt eine Versorgungslücke. Gerade
für Betroffene, die noch Jahre oder Jahrzehnte nach der erlebten Gewalt unter
den Folgen leiden, ist dieses Hilfesystem von elementarer Bedeutung.
Aktuell ist die Weiterführung des Programms unsicher, derzeit können keine
Neuanträge mehr gestellt werden, viele gestellte Anträge können nicht mehr
bearbeitet werden, da die die Mittel unzureichend sind. Bereits bewilligte
Zahlungen laufen noch bis 2028 weiter, danach wird der Fond eingestellt. Ob es
ein Nachfolgemodell geben wird und wie dies aussehen soll ist nach wie vor
ungeklärt und löst vor allem für viele Betroffene große Unsicherheit aus.
Viele Betroffene laufen Gefahr, keine Leistungen mehr in Anspruch nehmen zu
können, obwohl der Bedarf weiterhin hoch ist. Dies widerspricht dem erklärten
politischen Ziel, Betroffene zu stärken und langfristig zu unterstützen.
Der DBJR fordert daher:
- Dauerhafte Verstetigung des EHS/FSM über 2028 hinaus als feste Struktur im
Hilfesystem für Betroffene sexualisierter Gewalt.
- Wiederaufnahme und Ausweitung der Antragsmöglichkeiten, damit mehr
Betroffene Leistungen geltend machen können, auch wenn sie erst später
Zugang zu Information oder Unterstützung finden. Wir sprechen uns dafür
aus, diese Unterstützung in einem Nachfolgemodell des EHS / FSM ebenfalls
für Betroffene zugänglich zu machen, die nach 2013 sexualisierte Gewalt
erfahren haben. Auch sie brauchen einen niederschwelligen Zugang zu
Leistungen, die ihnen bei der Bewältigung von Gewalterfahrungen helfen
können.
- Ausreichende Ausstattung mit finanziellen Mitteln, um allen berechtigten
Anträgen gerecht zu werden und generelle Wartezeiten oder
Leistungskürzungen zu verhindern.
- Weiterentwicklung des EHS/FSM. Dabei müssen Betroffene verbindlich
beteiligt werden, indem z.B. der Betroffenenbeirat direkt mit einbezogen
wird, damit ihre Perspektive konsequent im Fokus steht. Das kann
insbesondere eine schnellere Bearbeitungszeit der Anträge und die
Wiedereinführung der Möglichkeit unbefristeter Bewilligungen bedeuten.
- Niedrigschwelliger Zugang durch transparente Verfahren, flächendeckende
Beratung und Unterstützung bei der Antragstellung.
- Verbindliche Beteiligung von Institutionen, damit Betroffene aus allen
Kontexten – familiär wie institutionell – gleichermaßen Ansprüche geltend
machen können.
- Einführung eines eigenständigen Gesetzes für den Fonds Sexueller
Missbrauch, das Voraussetzungen, Leistungen und Verfahren transparent
regelt, damit Betroffenen ein Rechtsanspruch zugesichert wird und sie sich
auf niedrigschwellige und unbürokratische Hilfen langfristig verlassen
können.
Nur durch eine dauerhafte Absicherung und Weiterentwicklung des Ergänzenden
Hilfesystems können viele Betroffene die Unterstützung erhalten, die ihnen
zusteht. Der DBJR erklärt seine Bereitschaft, diesen Prozess zu begleiten und
mit seinen Mitgliedsorganisationen die Perspektiven junger Menschen
einzubringen. Gleichzeitig erwarten wir eine beständige Zusammenarbeit und
konstante Ansprechpartner*innen auf Seiten des Ministeriums für unsere
Mitgliedsorganisationen.
Begründung
Das Ergänzende Hilfesystem (EHS) und der Fonds Sexueller Missbrauch (FSM) schließen seit Jahren eine wichtige Versorgungslücke für Betroffene sexualisierter Gewalt. Viele Menschen, die in ihrer Kindheit oder Jugend Gewalt erfahren haben, tragen die Folgen ein Leben lang. Oft reichen die Leistungen der gesetzlichen Sozial- und Versorgungssysteme nicht aus, um die notwendige therapeutische, medizinische oder soziale Unterstützung zu finanzieren. Hier bietet das EHS unbürokratische Hilfe in Form von Sach- und Finanzleistungen.
Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen: Das EHS ist für Betroffene eine unverzichtbare Stütze. Es ermöglicht etwa psychotherapeutische Behandlungen, Weiterbildungen, Hilfen zur Alltagsbewältigung oder Assistenzleistungen, die sonst nicht finanziert würden. Damit trägt das System maßgeblich dazu bei, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern, ihre Selbstbestimmung zu stärken und die Folgen der Gewalt zu mindern.
Gleichzeitig ist die Zukunft des EHS ungesichert. Die aktuell engen Antragsfristen und die vorgesehene Beendigung des Systems im Jahr 2028 nehmen vielen Betroffenen die Möglichkeit, Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Gerade Menschen, die erst spät die Kraft finden, über erlittene Gewalt zu sprechen, geraten dadurch erneut in eine Situation der Benachteiligung. Hinzu kommen unzureichende Mittel, die zu Wartezeiten und Leistungseinschränkungen führen, sowie Unsicherheiten im institutionellen Bereich, wenn Einrichtungen nicht am EHS beteiligt sind.
Es wäre ein fatales Signal, Betroffenen in dieser Lage eine dauerhafte und verlässliche Unterstützung zu verweigern. Die Bundesregierung hat sich in verschiedenen Zusammenhängen zum Ziel gesetzt, Betroffene sexualisierter Gewalt zu stärken, ihre Rechte zu sichern und Hilfen auszubauen. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn das EHS langfristig verstetigt, finanziell ausreichend ausgestattet und für alle Betroffenen zugänglich gemacht wird.
Der DBJR macht sich dafür stark, dass junge Menschen und Betroffene aller Altersgruppen die notwendige Unterstützung erhalten. Ein dauerhaft gesichertes und weiterentwickeltes EHS ist dafür ein entscheidender Baustein.
