| Status: | Beschluss |
|---|---|
| Beschluss durch: | 98. Vollversammlung |
| Beschlossen am: | 25.10.2025 |
| Antragshistorie: | Version 2 |
Klimaschutz darf kein Luxus sein - Forderungen in Bezug auf den sozial gerechten Klimaschutz in Deutschland aus der Perspektive junger Menschen
Beschlusstext
Die soziale Ausgestaltung von Klimaschutz ist die Grundlage für die bestmögliche
und zwingend erforderliche Bewältigung der Klimakrise. Wenn Klimaschutzmaßnahmen
Akzeptanz generieren sollen, braucht es Gerechtigkeit[1].
Schon heute sind die Belastungen durch die Auswirkungen der Klimakrise nicht nur
global, sondern auch national ungerecht verteilt. Diese Ungerechtigkeit wird
sich bei nicht bedarfsgerechter Betrachtung durch Politik und Verwaltung mit
Fortschreiten der Klimakrise sowie des Klimaschutzes verstärken.
Junge Menschen sind von den Auswirkungen der Klimakrise in besonderem Maße
betroffen. Sie tragen insbesondere durch die zukünftigen Auswirkungen der
Klimakrise eine unverhältnismäßig große Last. Gleichzeitig sind junge Menschen
nicht nur Betroffene, sondern leisten in Jugendverbänden, -ringen und -
bewegungen einen wichtigen und aktiven Beitrag zu einer klimaresilienten,
gerechten Zukunft und prägen den öffentlichen Diskurs in Nachhaltigkeitsdebatten
stark. Dennoch sind ihre Handlungsmöglichkeiten, insbesondere durch
Abhängigkeitsverhältnisse, begrenzt. Aus unserer Sicht braucht es daher eine
Klimasozialpolitik, die in besonderem Maße auf die Bedürfnisse junger Menschen
ausgerichtet ist und folglich eine möglichst gerechte Ausgestaltung der
nationalen Klimaschutzpolitik ermöglicht.
Eine gerechte Klimaschutzpolitik sollte vulnerablePersonen[2] dazu befähigen, an
der Bewältigung der Klimakrise teilzuhaben, sich an den Bedarfen dieser Personen
orientieren, Betroffene einbeziehen und in ihrer Umsetzung darauf gerichtet
sein, insbesondere vulnerablen Personen die Teilhabe an Maßnahmen zu gewähren.
Zusätzlich braucht es eine soziale Gesamtbetrachtung der Auswirkungen von
Klimakrise und Klimaschutz. Entsprechend relevant ist die ressortübergreifende
Abstimmung verschiedener sozialer Maßnahmen, um Förderlücken und Ineffektivität
zu verhindern.
Deswegen fordern wir:
Die Schaffung einer bundesweiten umfassenden Strategie zur sozial
gerechten Ausgestaltung von Klimaschutzmaßnahmen, anhand der oben
definierten Kriterien.
Für uns bedeutet eine sozial gerechte Ausgestaltung des Klimaschutzes konkret:
Kommunales Handlungsfeld
Insbesondere der kommunalen Ebene kommt bei der praktischen, lokalen Umsetzung
von Klimaschutzmaßnahmen eine wesentliche Rolle zu. Diese steht sowohl in der
kommunalen Wärmeplanung als auch der Schaffung einer flächendeckenden,
klimafreundlichen und selbstbestimmten Mobilität maßgeblich in der
Verantwortung. Ferner erleben Kommunen die direkte Betroffenheit vulnerabler
Personen unmittelbar. Dies bietet auch die Chance, Zugang zu Maßnahmen
barrierearm bereitzustellen. Die Stärkung der kommunalen Handlungsfähigkeit
schafft einen wesentlichen Beitrag zu einer bedarfsgerechten Umsetzung von
Klimasozialpolitik[3]. Im Gegensatz dazu werden entsprechende kommunale
Handlungsspielräume, insbesondere durch die wachsenden kommunalen
Pflichtaufgaben sowie die insgesamt hohe Altschuldenlast stark eingeschränkt.
Deswegen fordern wir:
Eine flächendeckende Entlastung der Kommunen von ihren Altschulden durch
zielorientierte Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern.
Einen Ausbau der Unterstützungsmechanismen für Kommunen bei der Erfüllung
ihrer Pflichtaufgaben durch Bund und Länder.
Die Stärkung und Evaluierung der lokal bestehenden (sozialen) Beratungs-
und Hilfsangebote für vulnerable Personen, in Bezug auf
Bedarfsgerechtigkeit und Zugangshürden
Eine bedarfsgerechte, finanzielle Ausstattung der Kommunen für
Klimasozialpolitik, Klimaschutzmaßnahmen und Klimaanpassungsmaßnahmen
durch Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern
Eine bedarfsgerechte und wirkungsvolle Beteiligung der Zivilgesellschaft,
insbesondere der jungen Menschen, bei der Planung, Umsetzung und
Evaluierung von Klimaschutzmaßnahmen und Klimasozialpolitik.[7]
Klimageld und Klima- und Transformationsfond
Sozial gestaffelte Direktzahlungen bieten die Möglichkeit insbesondere
übermäßige Belastungen gegenüber den Endverbrauchenden teilweise abzufedern.
Gleichzeitig können derartige Direktzahlungen in der Praxis das Recht zur
Teilhabe an der Bewältigung der Klimakrise nicht sicherstellen. Ohne diese
bedarfsgerechte Erfüllung droht Betroffenen der sogenannte Carbon-Lock-In[4].
Eine Flankierung von finanziellen Kompensationsmechanismen durch eine sozial
ausgestaltete Maßnahmenstrategie erscheint aus diesem Grund notwendig.
Deswegen fordern wir:
Die Einführung eines sozial gestaffelten Klimageldes, welches die durch
Klimaschutzmaßnahmen ausgelösten übermäßigen Kostensteigerungen effektiv
abgefedert, bei gleichzeitiger Flankierung jener Maßnahme durch eine
umfassende Strategie zur sozial gerechten Ausgestaltung von
Klimaschutzmaßnahmen.
- Die Reformierung und Umverteilung des Klima- und Transformationsfond. Die
darin enthaltenen klimaschädliche Subventionen abschaffen und stattdessen
die soziale Ausgestaltung der Bewältigung der Klimakrise fördern.
- Das Klimageld muss durch eine umfassende Strategie zur sozial gerechten
Ausgestaltung von Klimaschutz flankiert werden.
- Da Kinder und Jugendliche besonders von der Klimakrise betroffen sind,
sollten auch sie einen Anspruch auf Klimageld haben und dementsprechend
berücksichtigt werden [9]
Mobilität
Mobilität ist eine wichtige Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe. Dies
betrifft junge Menschen in besonderer Form[5]. Primäres Ziel muss hierbei die
Schaffung eines bedarfsgerechten, barrierefreien und integrierten ÖPNVs[5].
Gleichzeitig sind junge Menschen, insbesondere im ländlichen Raum, häufig auf
motorisierten Individualverkehr angewiesen. Die Kosten von motorisiertem
Individualverkehr, insbesondere in Bezug auf Verbrennungsmotoren, werden im
Rahmen des Klimaschutzes absehbar steigen. Zielbild des Deutschen
Bundesjugendrings (DBJR) ist eine selbstbestimmte Mobilität, ohne Abhängigkeit
von elterlichem Individualverkehr (sogenanntes “Elterntaxi”)[6]. Nur unter
Anwendung dieses Zielbilds kann auch in ländlichen Räumen ein Umstieg weg von
ineffizienten und klimaschädlichen Individualverkehr, hin zu einer wirklich
selbstbestimmten, klimafreundlichen und kostengünstigen Form der Mobilität
gelingen.
Deswegen fordern wir:
Die Schaffung eines tatsächlich flächendeckenden und bedarfsgerechten
ÖPNV, insbesondere durch sogenannte “On-Demand-Angebote im ländlichen
Raum.
Die Schaffung einer starken und flächendeckenden
barrierearmen Fuß- und Radinfrastruktur, um diese Form der Mobilität zu
einer attraktiveren Alternative zum Individulverkehr zu machen[6]
Die langfristige Schaffung eines Entgeltlosen ÖPNVS und die kurzfristige
Einführung eines bundesweiten Jugendtickets zum Preis von ≤ 1 €/Tag[6]
Die Förderung von Konnektivität zwischen Bahn, ÖPNV und Rad (bspw.
Radstationen, kostenlose Fahrradmitnahme, Abstimmung von Fahrplänen,
etc.).
Die Schaffung von auf vulnerable Gruppen beschränktem sogenannten “Social-
Leasing-Modellen” für bedarfsgerechte (kleine) E-Fahrzeuge, für Personen,
für die ein Umstieg auf den ÖPNV im individuellen Fall nicht realisierbar
erscheint.
- Die gesamte Verkehrsinfrastruktur muss Klimasozial gesteuert werden. Wenn
weitere Flächen verbraucht werden, dürfen diese nur noch klimafreundlicher
und gemeinschaftlicher Mobilität zugutekommen. Flächen müssen im Rahmen
der Klimaanpassung von Räumen entsiegelt und renaturiert werden.
Wohnen
Wohnraum ist ebenfalls eine zentrale Voraussetzung für gesellschaftliche
Teilhabe. Der schon längst, besonders bei günstigem Wohnraum preislich
angespannte Wohnungsmarkt wird in den kommenden Jahren mit weiteren notwendigen
Kosten aufgrund der Bewältigung der Klimakrise konfrontiert sein. Diese Kosten
dürfen nicht zu einer höheren Belastung von vulnerablen Haushalten führen, die
schon jetzt unverhältnismäßig hoch durch ihre Wohnkosten belastet sind.
Gleichzeitig ist ein Großteil der vulnerablen Haushalte in Bezug auf ihre
Wohnkosten von den Entscheidungen der Vermietenden abhängig. Folglich müssen
insbesondere im Bereich des Wohnens Maßnahmen entworfen werden, die dieses
Abhängigkeitsverhältnis adäquat berücksichtigen und nicht zu einer
Verschlechterung der Lebensrealität von Betroffenen führen.
Deswegen fordern wir:
Die Schaffung eines Förderbonus für energetische Sanierung bei Einhaltung
einer sozialverträglichen Mietpreisobergrenze durch den*die Vermietenden.
Die Bereitstellung zusätzlicher Haushaltsmittel des Bundes für die
energetische Sanierung von sozialem Wohnungsbau.
Die Förderung von quartiersbezogener Wärmeplanung in Verbindung mit dem
Instrument von Sozialtarifen in kommunalen Wärmenetzen.
Die bedarfsgerechte Stärkung von Klimarezillienzplanungen in Kommunen und
Quartieren.
Die Stärkung und Evaluierung der bestehenden Angebots- und Förderkulisse
für die Beratung und Finanzierung von energetischen Sanierungen
selbstnutzender vulnerabler Haushalte in Bezug auf Bedarfsgerechtigkeit
und Zugangshürden.
- Darüber hinaus muss aus ökologischen, ökonomischen und sozialen Gründen
das Aus- und Umbauen im Bestand, Vorrang gegenüber Neubauten haben.
Beteiligung
Gerechte Klimaschutzpolitik, die die Belange vulnerabler Gruppen ernst nimmt,
benötigt sowohl in der Maßnahmenentwicklung, als auch in der Maßnahmenumsetzung
und Evaluierung Beteiligung. Aufgrund systematischer Diskriminierung
Armutsbetroffener Gruppen sind diese häufig politisch unterrepräsentiert. Auch
die Perspektiven junger Menschen werden im politischen Prozess häufig nicht oder
nicht ausreichend berücksichtigt bzw. einbezogen. Jugendverbände können hier
eine wesentliche Rolle einnehmen[7]. Nur durch die strukturelle und transparente
Einbindung der Perspektive von Betroffenen auf allen politischen Ebenen, kann
eine bedarfsgerechte Klimasozialpolitik realisiert werden.
Deswegen fordern wir:
Die Schaffung von tatsächlicher Betroffenenbeteiligung in Bezug auf
Klimasozialpolitik auf allen politischen Ebenen (subsidiär).
- Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene müssen also unter anderem aktiv
und direkt in die Mobilitäts-, Stadt- und Regionalplanungen in städtischen
sowie in ländlichen Räumen mit einbezogen werden.
---
[1]Sara Holzmann und Ingo Wolf, „Klimapolitik und soziale Gerechtigkeit“,
(Bertelsmann Stiftung, 2023).
[2]Als vulnerable Personen definieren wir alle diejenigen, welche ohne starke
Einschnitte in ihr sozio-kulturelles Leben an der Bewältigung der Klimakrise
nicht teilhaben können . Dies betrifft insbesondere Armutsbetroffene, junge
Menschen und weitere von Diskriminierung betroffene Personen.
[3]siehe dazu auch: „Handlungsfähig.Kooperativ. Für alle.: Empfehlungen zum
gesellschaftlichen Zusammenhalt in Kommunen“, Rat für Nachhaltige Entwicklung.
[4]Meint hier die systembedingte Unmöglichkeit der Transformation, aufgrund von
Abhängigkeiten (insbesondere aus finanziellen Zwängen)
[5][6]„Junge Menschen bewegen - Eine nachhaltige Mobilitätswende für alle!“,
DBJR.
[7]siehe hierzu: “Qualitätsstandards für Kinder- & Jugendbeteiligung“, BMFSJ,
DBJR
[9]
[8] Die Berechnung sollte auf einer Mischkalkulation basieren, die verschiedene
Faktoren, wie z.B. wirtschaftliches Einkommen, Wohnort oder auch Zugang zum
ÖP(N)V berücksichtigt.
Die Auszahlung des Klimagelds sollte direkt an die Menschen erfolgen, um eine
schnelle und unkomplizierte Verteilung zu gewährleisten. Gleichzeitig müssen die
bürokratischen Hürden für Menschen und Ämter so gering wie möglich gehalten
werden.
